Ernst Mosch

Falko Helmlinger

Der bei Heidelberg lebende Chemiker Falko Helmlinger widmet sich in seiner nicht-beruflichen Zeit unter anderem der Erforschung der symphonischen Musik des 19. Jahrhunderts, ebenso der anspruchsvollen böhmischen Blasmusik und deren Autoren. Insidern ist Falko Helmlinger als profunder Kenner der musikalischen Arbeit von Ernst Mosch bekannt.
Derzeit arbeitet er an einem Buch über Sinfonien der Spätromantik. Gleichzeitig entstehen laufend Analysen zum musikalischen Wirken von Ernst Mosch, die in ihrer Ausführlichkeit und analytischen Tiefe meiner Kenntnis nach bisher noch nicht zur Veröffentlichung gelangt sind. Daher freut es mich umso mehr, dass Falko Helmlinger seine Texte, die bewusst aus der Sicht der sinfonischen Musik geschaffen werden, zur Veröffentlichung im "Blasmusikbüro" zur Verfügung stellt.
Gastbeiträge geben die Meinung des Verfassers wieder.
Jürgen Enser

Nachtrag: Nicht nur über Ernst Mosch sondern auch über andere Blasorchester mit Egerländer Besetzung und der Interpretation tschechischer Blasmusikliteratur sowie über donauschwäbische Blasmusik schreibt Falko Helmlinger. Auch diese Texte werden auf dieser Seite veröffentlicht, wenn gleich sie nicht unmittelbar Ernst Mosch betreffen.


Ernst Mosch - Drei Phasen im Lebenswerk

Vor 60 Jahren, am 21. April 1956 liefen die ersten Titel der Egerländer Musikanten über den Hörfunk-Sender Süddeutscher Rundfunk. Damit verstärkte sich der Siegeszug der tschechischen-böhmischen Blasmusik, nun in die Welt getragen von Ernst Mosch, seinen Bearbeitern Gerald Weinkopf, Franz Bummerl sowie Frank Pleyer und seinen Musikanten. Ein beispielloser Erfolg wurde begründet, der auch nach dem Tod von Mosch anhält.
Zum Jubiläum der "Egerländer Musikanten" befasste sich der Blasmusikexperte Falko Helmlinger mit drei Phasen im Lebenswerk der energiereichen Führungspersönlichkeit ERNST MOSCH.


Ernst Mosch - Drei Phasen im Lebenswerk einer energiereichen Führungspersönlichkeit

Starker Wille, Widerstandskraft, verbundenen mit finanziellem Geschick, Begeisterungsfähigkeit und fachlicher Kompetenz - solche Formulierungen sind in Ausschreibungen für Führungspersönlichkeiten zu lesen. Wenn diese hoch gesteckten Erwartungen auf einen Menschen zutreffen, dann ist Ernst Mosch ein Beispiel par excellence. Der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt war er 1956 – und dass er in einer jahrzehntelangen Karriere erfolgreich blieb, ist die noch höhere Leistung. Mancher Aspekt seines persönlichen Wirkens in der langen Zeit veränderte sich naturgemäß mit den Jahren allmählich, aber stetig.

1956 – 1966 – Der Start-Up
Die Initiative von 1956, einige Titel böhmischer Volksmusik einzuspielen und zu senden, und vor allem die Beharrlichkeit, den damaligen Abteilungsleiter des Südfunks dazu zu bringen, beruhte auf tiefer innerer Überzeugung des Menschen Ernst Mosch. Bis zu diesem Zeitpunkt unterschied sich sein Leben kaum von dem der meisten anderen virtuosen Musiker wie den bekannten Namen aus seinem damaligen Kollegenkreis. Wiederaufbau nach überlebtem Krieg, Erfüllung der zunächst nur materiellen Bedürfnisse und Aufbau einer beruflichen Karriere waren das Schicksal der damals 30 jährigen. Dachte Ernst Mosch weiter – oder war es nur der innere Antrieb, die Musik aus der Heimat innerhalb des US-Rausches der 1950er Jahre wiederzubeleben? Der Wunsch von Millionen Vertriebenen nach einem Stück Heimat war zu diesem Zeitpunkt sehr groß: ein Käufermarkt in mitten des wachsenden Wohlstands war entstanden. Ernst Mosch handelte aus innerem Antrieb. Es war weniger ein konkretes Ziel oder gar die Aussicht auf einen späteren Erfolg, der sich nach dem Anfangserfolg unmittelbar nach der ersten Sendung einstellte. Er war schlichtweg der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt: Ein virtuoser Musiker (wie er es selbst formulierte: mit der Betonung auf der ersten Silbe, also mit einer „Verbindung zu den Musen“), eine wachsende Führungspersönlichkeit mit natürlicher Autorität, zielorientiert, mit einer glücklichen Hand sowohl fachlich als auch finanziell, mit Überzeugungskraft, aber auch manchmal rücksichtslos den Gefühlen der Mitarbeiter gegenüber. Nur wer sich vom „Alten“ anbrüllen lassen konnte, hatte eine Chance - Führungsstil der Nachkriegszeit eben. Dabei konnte Ernst Mosch von vornherein die passenden Wegbegleiter gewinnen, wie Gerald Weinkopf und Franz Bummerl, denen er einen großen Anteil des erfolgreichen Starts verdanken hatte.
Den Gewinner erkennt man am Start - und nicht kleckern, sondern klotzen: den vom Veranstalter zu zahlenden Preis für das erste Konzert der Egerländer Musiker setzte der Dirigent mit einer Summe heutiger Kaufkraft etwa für etwa einen VW Golf an – und gewann das Risiko. Damit war die finanzielle Grundlage geschaffen – und dass die Zahl der Konzerte lawinenartig wuchs, lag an höchster musikalischer Kompetenz und am richtigen Zeitpunkt: die Menschen wollten inmitten des Schaffe‘-schaffe‘-Häusle-baue‘ der 1950er Jahre und zunehmender Technisierung auch ein Stück Natur, Heimat, Nostalgie.
Ausgewählte Titel, sich nie wiederholen, Originalität – das Wort „original“ kam nicht umsonst um 1958 in die Bezeichnung des Orchesters hinzu – diese Qualitäten kennzeichnen die reichen Plattenaufnahmen. Immer etwas Neues, niemals stehenbleiben, sich ständig verbessern, sind Erfolgsrezepte, die der Falkenauer unbewusst verwirklichte. Nicht nach verbissenem Konzept oder gar strategischem Plan, sondern aus natürlicher Begabung heraus. Und schon gar nicht auf Anraten eines externen Managers.
Die Innovation unterschied Ernst Mosch von seinen Marktbegleitern der 1960er und 1970er Jahren (ausser Rolf Schneebiegl). Um 1960 verwirklichte Ernst Mosch erstmals eine regelrechte Experimentierfreude: Falkenauer Blasmusik, Jagerbuam, Zittner Schrammeln, Egerländer Schrammeln mit Streicherbesetzung – kurzfristige Experimente, die ihn dennoch in den Folgejahren immer neue Klangkörper ausprobieren ließ. Das junge Orchester war im Klang und der Gestaltung, gelenkt durch den impulsiven Orchesterleiter, ein wahres Energiebündel. Die Konzerte der 1960er Jahre und manch erhaltene Aufzeichnung davon, strahlen eine Dynamik aus, die bis heute fast unerreicht ist. Dadurch – und genau dadurch – wurde der Begriff „Egerländer“ zu einer Marke. Die goldenen Schallplatten waren das sichtbarste Zeichen des Erfolgs, doch ein damaliges Liveerlebnis des Orchesters gab den Herzen der Zuhörer mehr als alle goldenen Schallplatten dieser Welt.
Das Ensemble wurde für etwa 10 Jahre ein eingespieltes Team – Ernst Moschs Statement „ohne diese Herren, wäre nichts gegangen“ trifft namentlich auf die Egerländer der ersten Stunde zu, wie den legendären Flügelhornvirtuosen Georg Ernszt mit seinem vibrierenden Ansatz, seiner Zugnummer Ferry Tagscherer, oder den Halbbrüdern Halmai-Hess an Tenorhorn/Bariton, deren spezifischer Klang unverwechselbar wurde.

1966-1986 - Der Manager
Die USA-Tournee bildete Höhepunkt und Schlusspunkt der ersten Phase der Egerländer Musikanten. Zwangsläufig musste Ernst Mosch seine Stelle beim Südfunk aufgeben, und sich auf seinen eigenen Weg konzentrieren. Doch Prof. Erwin Lehn „lieh“ ihm von da an keine Musiker für Auftritte mehr aus. Daher folgte ein Wandel, zunächst personell, jedoch keine Zäsur, keine Pause, vielmehr eine Fortentwicklung, als „wäre nichts gewesen“. Vom bisherigen Orchester blieb für die inzwischen hohe Anzahl von Live-Auftritten gerade mal ein Drittel der bisherigen Besetzung übrig. Nicht umsonst blieb die erste Auflage der LP „Musik aus der Heimat“ von 1966 ohne Foto des Orchesters. Eine bisher meist übersehene Leistung von Ernst Mosch ist das Heranziehen neuer Orchestermitglieder in 1966 - wie Hans Auer, Lubomir Rezanina, Karl Kraft oder Erwin Wolf, und die sofort geglückten Aufnahmen mit der neuen Besetzung. Das war keineswegs selbstverständlich! Der Chef nutzte den personellen Wandel auch zu einer musikalischen Veränderung. Die Gesellschaft war in den 1960er Jahren intellektueller geworden, die Zielgruppe war inzwischen nicht mehr nur durch Heimatsehnsucht, Heimatliebe und Heimatnostalgie gekennzeichnet. Virtuose Titel wie „Lebensfreude“, „Lass mich nie allein“ oder „Auf dem Heimweg“ – um nur einige der jetzt aufkommenden Stücke symphonischer Blasmusik zu nennen – markieren eine musikalische Fortentwicklung des inzwischen als erfolgreichsten Blasorchesters der Welt bezeichneten Ensembles. Für erfolgreiche Plattenumsätze war auch durch geschicktes Marketing der Telefunken gesorgt: die preisreduzierten Sonderausgaben „Ein Klang begeistert die Welt“ und „Wenn der Tag erwacht“ von 1970 sorgten für eine erneute Welle im Verkauf und weiteren goldenen Schallplatten.
Eigentlich überschlugen sich in diesen Jahren bis 1973 die Ereignisse in der Geschichte der Original Egerländer Musikanten. 1969 eine Tanzlieder-Produktion „So sind wir“, das Integrieren neuer Musiker einer jüngeren Generation ins Orchester wie 1969 Gert Mann und Joschi Lauter, und wenige Jahre danach Freek Mestrini und Herman Engelbertinck, 1971 Einspielungen Wiener Lieder und niederländischer Schlager, Aufnahmen mit Miller-Satz 1971 bis 1973, das absolute geglückte Experiment mit Operettenmelodien (auch das war ein gewisses Risiko), 1973 eine reine Volkslieder-Platte, im selben Jahr der Beginn einer intensiven Zusammenarbeit mit Frank Pleyer und damit nahezu eine Art Paradigmenwechsel in der Art der Titel - man denke nur an die damals revolutionäre Wirkung der „Sehnsuchtspolka“ -, bis hin zur Gründung des Zweitorchesters „Straßenmusikanten“ ebenfalls 1973 – und „nebenbei“ noch 200 Live-Auftritte im Jahr und Fernsehsendungen. Wie Ernst Mosch das alles angesichts bis 200 Konzerttagen im Jahr managte, grenzt an eine persönliche übermenschliche Leistung, zeigt auf, wie gut seine Mitarbeiter „funktionierten“, machte ihm aber auch klar, dass die Arbeitsbelastung so nicht weitergehen kann. Ab 1974 lenkte er daher seine Kernkompetenzen nur auf die Egerländer Musikanten und die Straßenmusikanten, und verzichtet fortan auf die – finanziell auch weniger lukrativen – Zeltauftritte. Dafür gründete er seinen eigenen Musikverlag. In Elmar Wolf fand Ernst Mosch einen kompetenten Partner und Mitarbeiter, der ihn im Tagesgeschäft entlastete, später dann noch Freek Mestrini und Bernd Wolf. Ernst Mosch war in diesen Jahren vom Gruppenleiter „junger Wilder“ der 1950er und 1960er Jahren, zum regelrechten Manager geworden, ohne Nachlassen persönlicher Willenskraft, oder Dynamik, Biss, Impulsivität oder gar Aggressivität. Ein Mensch auf dem Höhepunkt seines Lebens, und er wusste, wann er kürzer treten musste. Er wusste auch, trotz der hohen Qualitäten seiner Haus-Komponisten, wann er Schwerpunkte ändern musste, wie 1973 von Gerald Weinkopf zu Frank Pleyer, und 1979 von Frank Pleyer wieder verstärkt zu tschechischen Autoren. Die Tourneepause von 1978-1980 bedeutete keineswegs ein Nachlassen im Schaffen des Maestros, die Produktionen dieser Zeit beweisen das Gegenteil. Wobei sich Ernst Mosch von den Straßenmusikanten vielleicht etwas mehr Umsatz erhofft hatte – überspitzt gesagt, stellten die Einspielungen des Zweitorchesters ein Hobby dar.
Das 25-Jahre-Jubiläum 1981 brachte nicht nur eine neue Tournee, sondern auch eine Welle von PR-Maßnahmen. Wer 1982 die nächste Tournee erwartet hatte, wurde freilich enttäuscht. Dazu kam noch eine allgemeine Tendenz der Musikgeschichte. Durch den Sieg der Popmusik in zunehmenden Gesellschaftsschichten war die Blasmusik in den 1980er Jahren plötzlich aus der allgemeinen Mode gekommen, und für junge Menschen durch archaischen Pathos „peinlich“ geworden. Einige Blasorchester lösten sich damals auf – nicht aber das erfolgreichste. Dessen Chef reagierte richtig - „heute macht er sich rarer wie eine seltene Kostbarkeit“ sagte Gert Haucke im ZDF-Special 1981 über den Meister, und fortan beschränkte Ernst Mosch Tourneen auf einen ungefähren Dreijahres-Rhythmus.

1986 – 1998 – Die lebende Legende
Der Höhepunkt war überschritten, was für einen über 60jährigen auch selbstverständlich wirkt. Doch Ernst Mosch ruhte sich nie auf Lorbeeren aus, das konnte er von Natur aus gar nicht. Eine Zäsur war sicher die Trennung von Elmar Wolf in 1986. Nicht besonders glücklich war die Zusammenarbeit mit dem neuen Produzenten, was in einigen weniger geglückten Produktionen ab 1987 hörbar ist. Der Seniorchef reagierte erneut richtig und nominierte 1990 sich selbst zum Produzenten. Allerdings gab es dabei auch Schatten. Mehr und mehr verwirklichte Ernst Mosch in seiner Besetzung fluktuationsreiche Personalpolitik durch das Auswechseln z.T. langjähriger Mitglieder, nach dem Motto „hire and fire“. Unvermittelt diese zum Abgeben der Uniform auffordern, mit solchem „Human Ressource Management“ in US-Manier kannte er keine Befindlichkeiten. Sicher ein Kennzeichen eines impulsiven Managers. Kaum war eine Fernsehmeldung mal so falsch wie im Mai 1999 zum Tode des Seniorchefs: „Ernst Mosch, immer ganz weich“. Wenn er das gewesen wäre, hätte es sein Orchester nur wenige Jahre gegeben.
Kann man bei Ernst Mosch von einem Spätwerk sprechen? Seit 1980 hatte er immer wieder einige alte Titel neu eingespielt, aber nie den Kardinalfehler begangen, sich darauf zu konzentrieren. Die Produktion „Im Herzen jung“ von 1995, zeugt von einer ungebremsten Kompetenz zu neuen schönen Titeln, allen voran die Konzertpolka „Die Hexe“. Ernst Mosch wäre nie so erfolgreich geworden, wenn er sich stets auf dasselbe Repertoire oder gar nur alte Titel konzentriert hätte. Der Charakter eines Spätwerks manifestiert sich dagegen in einigen Texten – „Wie ich diese Stunden liebe“, „Die Jahre vergehen“, „Wie junge Blüten an einem Baum“ zeugen von der rückgewandten Nostalgie eines reifen Menschen. Aus der Heimat-Nostalgie war die Lebensnostalgie geworden.

1988 hatte Ernst Mosch sein langjähriges Tonstudio „satt“ und experimentierte mit einem neuen Klang. Ernst Mosch ging entgegen einigem diesbezüglichen Feedback seinen neuen Weg unbeirrt weiter. Dabei klang „der Mosch“ life so dynamisch wie immer. Diese Diskrepanz zwischen klanglich verschleierten matten Einspielungen und dem stets kraftvollen Tourneeklang wird stets sein Geheimnis bleiben - genauso wie das schon 1970 beschriebene „besondere Etwas“ der Original Egerländer Musikanten, das durch die intensive Persönlichkeit ihres Gründers und Leiters bedingt war – und das er mit ins Grab nahm - genau wie er es vorausgesagt hatte.


ERNST MOSCH 1973 – ZENIT SEINER KREATIVITÄT

ERNST MOSCH 1973 – ZENIT SEINER KREATIVITÄT UND SEIN PRODUKTIVSTES JAHR – Fünf neue Tonstudioaufnahmen, darunter zwei mit erweiterter Besetzung und eine in einer ganz neuen Besetzung „Straßenmusikanten“, 200 Konzerttage und ein Fernsehfilm – das hatte es zuvor in der Geschichte von Ernst Mosch und seine Original Egerländer Musikanten noch nicht gegeben. Dass es zu dieser Akkumulation kam, ist vor allem dem Drängen von Ernst Mosch zu ständiger Verbesserung und Innovation zu verdanken. Dabei begann das Jahr entmutigend: Der belie(ei)bte Schlagzeuger Ferry Tagscherer war im Januar gestorben, wegen seiner Wassersucht nicht ganz unerwartet. Daher hatte Ernst Mosch für die Auftritte 1973 präventiv schon Hans Bodenmüller als zweiten Schlagzeuger (erstmals seit 1966) wieder engagiert. Nach Tagscherers Tod wurde auf dem Cover des Programmheftes der Tournee `73, welches das ein Jahr zuvor entstandene Orchesterfoto im Kurpavillon von Bad Homburg abbildet, der Kopf von Tagscherer kurzerhand gegen den von Bodenmüller ausgetauscht.- Die zweite wichtige Personaländerung 1973 betraf die Leitstimmen: 1973 kam Freek Mestrini als weiterer erster Flügelhornist zum Orchester – aufgrund der dünnen Personaldecke im Leitsatz ein dringend benötigter Neuzugang. ---- Im Mai 1973 wurde in Lohberg bei Lam der Film „Die Böhmen kommen“ produziert. Die dabei entstandenen herrlichen Naturfotos, u.a. am Kleinen Arbersee, wurde für die kommenden Jahre immer wieder als Bildmaterial für LPs und Cover geprägt. Dadurch prägte sich auch die dort abgebildete Besetzung bei vielen für die 70er Jahre als die „Egerländer schlechthin“ ein (Linharek, Dürr, Lutze – Bummerl, Mestrini, Ahles – Wosnitzka - Kraft, Er. Wolf, Schmid, Hess – Berger, Huber, Komár – Hering sen., Pemmerl – Bodenmüller. In der Folgesendung Sonntag 13h10 war Lothar Hensel als weiterer Flügelhornist dabei). Barbara Rosen tritt in diesem Film erstmals mit Ernst Mosch und seine Original Egerländer Musikanten vor die Kamera – damals konnte ihre künftige, führende Rolle als Sängerin bei Ernst Mosch und seine Original Egerländer Musikanten für die nächsten 13 Jahre noch nicht abgesehen werden! ---- Der erfolgreichste Titel des Jahres ist zweifellos der Lead Track der 1973 neu formierten Straßenmusikanten PFEFFER UND SALZ. „Nachdem die [die Mosch-Kopisten] sich nicht anderes einfallen lassen, habe ich mir was anderes einfallen lassen.“ So Ernst Mosch über die Gründung der Original Straßenmusikanten. Der Starterfolg PFEFFER UND SALZ ließ sich allerdings die kommenden Jahre nicht wiederholen. Vielleicht weil schon ab dem zweiten Album der Straßenmusikanten für Jahre keine Klarinetten mehr dabei waren? - Die Besetzung des ersten Album war in der Tat neu: 2 B-Klarinetten (Linharek, Dautel?) – Tenorsaxophon (Hoffbauer) – 2 Flügelhörner (Bummerl, Mestrini) – 2 Tenorhörner (Kraft, Erwin Wolf) – F-Tuba (Hering sen.) – Schlagzeug (Bodenmüller) – Akkordeon (Pleyer) - Gitarre (Matjic). Die markantesten Titel ausser dem Lead-track sind die anspruchsvolle Polka GOSSENGRÜNDER ZUCKERBÄCKER, eine Variation der ein Jahr zuvor produzierten SEHNSUCHTS-POLKA, die Polka DIR ZULIEBE mit flotten A-Teil und mystisch crescendierendem Trio, sowie der ausgesprochen diatonisch-harmonische Walzer von Franz Bummerl ZUM EGERLÄNDER BRÜCKENWIRT. Dies war das erste Album, das überwiegend von Kompositionen von Frank Pleyer geprägt war – ihm sollten für die nächsten Jahre viele solche, auch in der regulären egerländer Besetzung, folgen.------ Die zweite Neuproduktion war die mit großer Besetzung eingespielte LP JUNGE LIEBE ALTE WEISEN mit 12 Potpourris von 64 Volksweisen – eine der letzten Produktionen mit Arrangements von Gerald Weinkopf. Viele dieser Volkslieder wurden recht choralhaft interpretiert und erinnern an Weihnachtschoräle. Erstmals seit den Aufnahmen mit der Falkenauer Blasmusik um 1960, fügte Ernst Mosch für die Volkslieder – wohl wegen mehrerer Wald- und Jagdtitel - wieder zwei (Wald)hörner dem Orchester hinzu. Eine nachhaltige Änderung: Bis 1996 sollten zwei Hörner dann auch tatsächlich fester Bestandteil von Ernst Mosch und seine Original Egerländer Musikanten bleiben! --- Es kann davon ausgegangen werden, dass die dritte Produktion eines Albums in 1973, mit Operettenmedleys von Walter Kollo und Paul Linke, in denselben Tagen entstanden ist. Der künstlerische Erfolg der ein Jahr zuvor entstandenen Melodien von Robert Stolz und Franz Lehár hatte Ernst Mosch dazu veranlasst, „schon wieder“ eine Operetten-LP zu produzieren. Der einzige klangliche Unterschied in der Besetzung ist, dass er Konzert- anstelle Schlagbecken im Schlagzeug einspielen ließ. --- Die eigentliche egerländer Neuproduktion des Jahres war die Einspielung der ersten von zwei LPs des Doppelalbums Sonntag 13h10 (dessen zweite LP ist eine Auswahl zuvor produzierter Titel). Ab dieser Produktion ließ Ernst Mosch für 10 Jahre auch bei den regulären egerländer Produktionen Schlag- anstelle Konzertbecken einsetzen, nachdem seit 1964 alle egerländer Produktionen nur mit Schlagbecken produziert worden waren. Ihre 12 neuen Titel sind fast ausschließlich Eigenkompositionen aus den Reihen der Egerländer Musikanten. Im Gesang wollte Ernst Mosch trotz geglückter Titel mit Barbara Rosen von 1971 und 1972 etwas Neues ausprobieren und sang selbst einmal gar nicht. Vier Titel wurden von Helga Reichel und Alois Schnurrer besungen, zwei Titel von nicht näher bekannten Sängern Hans und Sigi. - Auch in „Sonntag 13h10“ sind markante Kompositionen von Frank Pleyer (alias Wiegand Overstaedt, Simon Hardenbergh et al.) zusammen mit Ernst Mosch enthalten, so der Konzertwalzer JASMIN und die anspruchsvolle Polkas KOMM ZU MIR und HINTER DEN BERGEN, letztere eine Konzertpolka für den Holzsatz, mit stimmführenden Klarinettensoli von Manfred Hoffbauer und Franto Linharek. Die langjährigen Klarinettisten/Saxophonisten Fritz Dautel und Manfred Hoffbauer steuerten erstmals Kompositionen bei: ICH MÖCHTE MAL DIRIGIEREN und KOMM LIEBLING SCHENK EIN. Der erfolgreichste neue Titel des Albums ist zweifellos die Polka MUSIKANTENGRUSS von Franz Bummerl. –Ggf. wurde auch die beliebte LP „Böhmische Spezialitäten“ noch 1973 eingespielt – mit einer reinen Auswahl böhmischer Autoren ist sie ein ausgeprägter Gegenpol zu „Sonntag 13h10“ mit dessen Eigenkompositionen. --- Nach diesem anstrengenden Jahr entschied sich Ernst Mosch, keine Zeltkonzerte mehr zu geben. Die langjährigen Tenöre Antonin Schmid und Matthias Hess verließen das Orchester und fanden 1974 in Paul Herrmann und vor allem Herman Engelbertinck hervorragende Nachfolger. - 1973 ging alles in allem als das innovativste Jahr von Ernst Mosch und seine Original Egerländer Musikanten in die Geschichte ein.---


ERNST MOSCH 1983 - INNOVATION IN FÜR DIE BLASMUSIK

Die frühen 80er Jahre brachten eine zeitweilige Krise für die Blasmusik. In den Jahren zuvor waren führende Kapellmeister verstorben: Hubert Wolf, Josef Augustin und Kornel Mayer. Rolf Schneebiegl hatte seit 1982 kaum noch Auftritte. Ein Hoffnungsschimmer waren die neu formierten Orchester um Michael Klostermann und auch Roland Kohler. Die Volksmusikhitparaden unterlagen in den 80er Jahren jedoch einem Trend zu Klein-und Kleinstgruppen, zum Banalen und Verlust an musikalischer Qualität. Die Tendenz zu immer trivialerer Diatonie, verbunden mit zunehmender Elektronisierung führte dazu, dass seit den späten 80ern Volksmusikcharts von Schlagern dominiert wurden. Ernst Mosch ging jedoch seinen eigenen Weg unbeirrt fort und produzierte 1983 zwei hochwertige Alben: Die egerländer Produktion LIEDER, DIE FÜR UNS KLINGEN erschien im Frühjahr, war vorwiegend von Franz Bummerl arrangiert, und war das erste vollständig digital eingespielte Mosch-Album. Eine LP mit Operettenmelodien von Nico Dostal und Ralph Benatzky erschien im Spätherbst mit dem Titel IM WEISSEN RÖSSL AM WOLFGANGSEE, arrangiert durch Gerald Weinkopf mit zuzüglich Millersatz, Melodieposaunen und Kontrabaßgeige. Fernsehauftritte mit Ernst Mosch gab es in 1983 übrigens nur ganz wenige. ----

Die Schärfe des Digital-Klangs von LIEDER, DIE FÜR UNS KLINGEN ist schon in den ersten Takten mit der Trompetenduo von Hans Wolf und Jörg Sänger zu erkennen. Der Lead-Track selbst wurde – wie fast alle Titel des Albums von Henry „Pytelka“-van den Berghe betextet, auch in den jeweiligen A-Teilen. Der Chorgesang klingt technisch bedingt etwas hohl – mit einem Duo wäre der Klang runder. Trompeten und Waldhörner dominieren bei diesem Album allgemein stark, und gerade im Lead-Track mit Fanfaren bzw. kontrapunktorischen Motiven fallen sie im Vergleich mit vorherigen Produktion stark auf. Die ausgezeichnete Titelauswahl des Albums mit einer Selektion tschechischer Meister ist der damaligen hervorragenden Zusammenarbeit mit Elmar Wolf zu verdanken. So ist der Vejvoda-Walzer HÖRST DU DEN WIND mit seine wunderschönen Harmonien und reicher Abwechslung vieler Soloinstrumente im Trio besonders gelungen – vor allem auch wegen des weichen Gesangs von Barbara Rosen (zusammen mit LIEBE UND LEID von 1972 sind dies die einzigen Titel mit Sologesang der Pfullinger Sängerin). Die business-class-Polka MUSIKANTENLAUNE zeichnet sich durch reichlich Dynamik aus, mit markantem Staccato, 16 Takten Steigerung und im 17.-24. Takt manischem Höhepunkt im A-Teil, sowie einem Trio mit großen Intervallen. Norman Sanders singt überwiegend ein Solo in dem Walzer SCHAU DOCH NICHT AUF DIE UHR – der erste und einzige Skabrada-Walzer. Die Texte von Henry „Pytelka“ van den Berghe sind allgemein an der Grenze zum Kitschigen – nicht umsonst wandte sich Ernst Mosch ab 1984 anderen Textern zu. Franz Bummerl fasste egerländer Volkstumsweisen in der EGERLÄNDER TRACHTENPOLKA zusammen. JEDER SUCHT IM LEBEN NACH DEM GROSSEN GLÜCK ist eine Polka des besonderen Komponisten Eduard Kudelasek – Elmar Wolf bewies dessen Kompetenz 10 Jahre später durch die Interpretation einer ähnlichen, noch dynamischeren Polka („Musikanten sind da“). Die B-Seite beginnt mit dem anspruchsvollen Polka-Komponisten Charvat und dem Titel FREU DICH AUF JEDE STUNDE. Norman Sanders hätte den Titel sicher auch kompetent interpretiert. Der Premium Track der Produktion ist eindeutig die sinfonische Skabrada-Polka MUSIKANTENHERZ: Das Thema des A-Teils steigert sich von einem „Frage-Antwort-Thema“ aus zwei mal [vier 16tel und einer halben] Note zu einem fallenden Motiv aus vier sforzati und folgender Beruhigung in Vierteln der Hörner und Kontrapunkt der Klarinetten. Der Moll-Zwischen-Teil ist interessant: auf ein entschiedenes, einmal repetiertes Motiv in der Parallele folgen vier weiche Takte im „Bummerl-Klang“ (piano Solotrompete heterophon mit einem Hornteppich). In der zweiten Hälfte des Moll-Teils gibt es wohl die interessantesten Modulationen in entfernte Tonarten eines Mosch-Stückes überhaupt. Das Trio ist ein hoch notiertes, komplexes Thema der Hörner, gefolgt von einem scherzando-Klarinetten-Zwischenteil und einer zweimaligen Sequenz des Tutti, die plötzlich anhält und damit den Weg für die crescendierenden Schlusstakte mit aufsteigenden Motiven aus vier 8teln, einen Höhepunkt anstrebend und dann fallend, freigibt. Mosch ließ das Trio 1:1 wiederholen – ich hätte mir in der Wiederholung etwas Variation gewünscht, z.B. mit dezenter zusätzlicher Solotrompete beim Hornmotiv („Bummerl-Klang“). Aber auch so ist MUSIKANTENHERZ mit 96 Punkten eindeutig ein Titel der First Class. Der Walzer WENN KINDER FRAGEN von Antonin Ulrich ist ein weiterer besonders romantischer Walzer des Albums, mit einem markanten Triozwischenteil mit steigenden Skalen in verschiedenen Instrumentengruppen à la „Liebe fürs ganze Leben“. Die letzten drei Titel sind Neueinspielungen alter Titel: Die Polka ICH HAB DICH GERN von Eman Schuster hatte Mosch als eine seiner allerersten Aufnahmen 1956 eingespielt. Der Konzertwalzer ERINNERUNG AN KARLSBAD, ebenfalls von Schuster, wurde erstmals 1970 eingespielt und jetzt 1983 mit etwas strammeren Tempo, härterem Rhythmus, ein über eine Doppeldominantpassage gekoppelt verlängertes Trio und einem erneut reichlich profanen Text van den Berghes, gesungen von Norman Sanders und Barbara Rosen, als IRGENDWANN IRGENDWO eingespielt. Der Klassiker IN DEINEN ARMEN, ebenfalls von ihnen besungen, beschließt das Album. Alles in allem ist dessen monumentale Einspielung von 1965 gelungener. Ein Fortschritt ist der bummerl-typische Trompeten-Fanfaren/Dreiklangsnachschlag im 5. bis 7. Takt der Triowiederholung, den ich mir auch bei der Abschiedspolka so sehr wünschen würde.-------------- Ich bin kein ausgesprochener Fan der Operetteneinspielungen von Ernst Mosch und hätte mir – wie viele andere auch – anstelle derer eine zusätzlich egerländer Produktion gewünscht, doch ist die Produktion IM WEISSEN RÖSSL AM WOLFGANGSEE nicht anders als künstlerisch perfekt zu bezeichnen. Gerald Weinkopf hatte gegenüber den beiden Operettenproduktionen 10 Jahre zuvor ausgeklügeltere Instrumentation und höhere kontrapunktorische Dichte in seinen Arrangements für diese Produktion erarbeitet. Die Zunahme einer zweiten Trompete ergibt hier herrliche Terzen und Sexten von Hans Wolf und Freek Mestrini (die einzige Aufnahme mit Ernst Mosch, in der Mestrini Trompete und nicht Flügelhorn spielte). Schon die Anlage der allmählichen Steigerung in dem, zu Beginn mit einem Paukenwirbel und dem HEIMATLAND-Motiv die LP wie ein Vorhang eröffnenden Titel HEUT ABEND LAD ICH MIR DIE LIEBE EIN, ist sehr eindrucksvoll. Auffällig smart ist die Bearbeitung in der punktierten Steigerung gegen Ende des ansonsten düsteren Slow-Fox EIN PAAR TRÄNEN WERD‘ ICH WEINEN UM DICH und folgender Generalpause und zwei fortissimo-Schlägen des Tuttis. Ebenso smart ist der bassgeführte Teil gegen Ende des Walzers EINMAL LINKSHERUM EINMAL RECHTSHERUM mit viermaligen Nachschlag aus steigenden Trompetenskalen und einmal Waldhorn. Der Tango FLORENTINISCHE NÄCHTE war einmal als „modernes Stück“ und rhythmischer Kontrasttitel für die Tournee 1986 vorgesehen. Auch hier hat Weinkopf besonders ausgeklügelte Instrumentierung gewählt, angefangen vom Trompetenduo con sordino bis zum Tutti mit Miller-Kontrapunkt. Die zweite Seite beginnt mit den Lead Track, hier als Marschfox (Mosch hatte das WEISSE RÖSSL 1965 als reinen Marsch schon einmal eingespielt), hier jetzt wiederholt in der Subdominante durch die Melodieposaunen und anschließend Millersatz, mit einer Mollwendung und Modulation zu dem mit seinen alterierten Harmonien modern klingenden FÜR DICH. Im Fox TIEFE SEHNSUCHT spielen die Melodieposaunen con sordino, mit Swingrhythmus. Butterweich sind sie auch beim Tango ES MUSS WAS WUNDERBARES SEIN. Für mich war der langsame Walzer EINMAL KOMMT DER TAG in seiner Per-aspera-ad-astra-Anlage schon immer besonders beeindruckend: Der düstere Beginn mit tiefem Holz und Bariton wird von einem Kontrapunkt des Millersatzes ergänzt, bis dieser die Stimmführung zweitweise übernimmt, im zweiten Teil der Mollstrophe dann die Melodieposaunen und eine Steigerung durch das Tutti bis zum zweimaligen, auflösungsbedürften Septimakkord. Der Refrain ist trotz Aufhellung nach Dur eigentümlich – die Posaunen schaffen hier eine ganz besondere, fast mystische Atmosphäre. Ein wunderschönes Flötensolo von Gerd Husemann beendet diesen romantischen Walzer, für mich das markanteste Stück des Albums. Die Foxtrotts ICH LADE SIE EIN FRÄULEIN und ACH LUISE beenden in Swingrhythmus das Album, die Schlusstakte parodieren den Flohwalzer. Bemerkenswert ist der Strophenteil von ACH LUISE mit hervorragend weich gespieltem Trompetenduo von Hans Wolf und Freek Mestrini, und seine anschließende Wendung über Posaunen, Holz und swingendem Flügelhorn in den Refrain.- Die Tonstudio-Besetzung dieser hochwertigen Aufnahme ist gut dokumentiert: Husemann - Linharek/ Dürr/ Lutze – Bummerl, Aszodi, Rezanina/ Müller, Mitschele – H.Wolf/ Mestrini – Kraft, Er. Wolf, Zirkelbach/ Engelbertinck, Komár – Babinec / Ross - Herrmannsdörfer/ Lachmann/ Höhne // Krause – Salzer/Pemmerl – Lauter, Bodenmüller – Millersatz: Dautel/Kloeren, Machwitz/Hoffbauer – Melodieposaunen: Bredl/ van Lier/ Wigham - Kontrabaß: Witte.


ERNST MOSCH vor 20 Jahren 1993

Nach der grossen Tournee 1992 kann 1993 als schöpferische Pause und eines der unauffälligsten Jahre der Geschichte der Original Egerländer Musikanten gesehen werden. Auch die 1993 entstandene Produktion MUSIK FÜR MILLIONEN passt in diese Wahrnehmung – eine Produktion als Antwort auf eine Frage, die keiner gestellt hat. Fast alle dort eingespielten Titel waren schon zuvor, in zum Teil besserer Qualität, produziert worden. Hatte Ernst Mosch 1992 mit der Produktion MEIN TRAUMORCHESTER noch eine hervorragende Produktion mit 12 ausgewählten neuen Titeln geschaffen, so enttäuschte die Produktion von 1993 die Erwartungen auf eine erneute Produktion mit ausgewählten neuen Titeln doch etwas. Zwei Titel sind allerdings besonders gelungen: der schwungvolle Marsch JUNGE MUSIKANTEN von Emil Stolc, der einzige neue Titel der Produktion, im Trio identisch mit dem Karnevalsschlager „Schnaps, das war sein letztes Wort“, und die Neuaufnahme von DORFSCHMIED: Freek Mestrini hatte für diese gelungene, seidig klingende Neuaufnahme ein ausgezeichnetes Arrangement geschaffen. Nachdem diese beliebte Polka von Josef Stepanek nur 1956 in minderwertiger Tonqualität aufgenommen worden war, war diese Neuaufnahme wirklich sinnvoll. Ähnlich bei der SECHSERL-POLKA, bei der hier jedoch der Charme der Zittner-Schrammel-Einspielung von 1961 fehlt. Anders ist das bei denjenigen der Titel mit nur wenige Jahre zuvor entstandenen Erstaufnahmen: Musikantenparade, Wer keine Liebe kennt, Die Zeit unserer Liebe, Die Jahre gehen an uns vorbei waren gerade mal gut 10 Jahren zuvor schon mal produziert worden, und das in besserer Tonqualität. Die Fanfare in der Trio-Reprise von BEI KERZENLICHT hätte noch länger ausgehalten werden sollen. Die modifizierte steigende Tonfolge der Bässe am Beginn des BEERENSAMMLERs wirkt zunächst fehlerhaft. - So reduziert sich Ernst Moschs Jahr 1993 musikalisch auf eine ausgezeichnete Einspielung der Polka DORFSCHMIED, und mit JUNGE MUSIKANTEN immerhin einen neu eingespielten Titel. Von folgender Tonstudio-Besetzung ist auszugehen: Marek/Bydzwoski/Starek, Docsansky/Lorenz, Sinkule – Mestrini, Aszodi, Sedivy, H.Kaszner – Tröster, Fiser – Sedivy – Hutter, Scholl, J.Kaszner/Engelbertinck, Reichl – Babinec, Smekal – Herrmannsdörfer, Poulec, Höhne/Sousicki – Malimanek, Gückel- Votava


ERNST MOSCH und JAROSLAV SKABRADA

Die Kompositionen von JAROSLAV SKABRADA (1919-2003), Solotrompeter im Nationaltheater Prag 1945-1978, stellen für viele, den Autor eingeschlossen, die Krone böhmischer U-Musik dar. Skabrada gilt als Erfinder der SINFONISCHEN POLKAS. Anders als Vacek, Blaha, Vejvoda u.a. schrieb Skabrada nur wenige Titel, dafür sind alle auf höchstem Niveau. ---- Ernst Mosch, Franz Biehler und Gerald Weinkopf entdeckten in den 1960er Jahren die Hochwertigkeit seiner Polkas und produzierten 1968/69 zwei Konzertpolkas von Skabrada. LEBENSFREUDE, wohl der Premium Track des ohnehin ausgewählt hochklassigen Albums LIEBLINGSMELODIEN, war der erste Titel Skabradas in einer Einspielung des erfolgreichsten Blasorchesters der Welt, und blieb lange Tourneejahre fester Bestandteil von Konzerten, meist im zweiten Block nach der Pause, für den Mosch stets besonders hochwertige Konzertstücke auswählte. LEBENSFREUDE zeichnet sich durch rhythmisch markante Motive aus, im A-Teil vorwiegend durch die Holzbläser, nach einer Staccato-moll-Episode mit einem wunderschönen Mittelteil inklusive übermäßiger Harmonien, und einem einzigartigen Motiv im Trio. Die Konfiguration gerade der Lebensfreude übertrifft die meisten Polkas an Komplexität: namentlich in den moll-Zwischenspielen ergänzte Skabrada in symphonischer Weise zusätzliche Themen. Die ein Jahr später eingespielte First-Class-Polka MUSIKANTENSTOLZ ähnelt thematisch der Lebensfreude, ist im Ausdruck jedoch etwas düsterer, kontrastiert durch ein strahlendes Dur-Zwischenspiel im ersten Titel, und später einem eruptiven Trio-Zwischenspiel, dessen Nähe zur Sinfonik offenkundig ist. - Erst nach über 10 Jahren, in 1980, produzierte Mosch auf Empfehlung von Elmar Wolf hin wieder einen Titel Skabradas, diesmal mit Gesang: LASS UNS MIT DEN WOLKEN ZIEHN. 1983 folgten die Konzertpolka MUSIKANTENHERZ und der einzige Walzer Skabradas, SCHAU DOCH NICHT AUF DIE UHR (Kurzanalysen siehe mein Artikel ERNST MOSCH 1983), in 1988 dann GOLDENE MUSIK, ein Titel, der durch das ausgezeichnete Blasorchester von Jiri Eliasek in Osteuropa bereits eingespielt und renommiert worden war. ------- JANA TANZT, einer der allergrößten Titel von Ernst Mosch überhaupt, markierte 1991 endgültig, dass sich Mosch wieder der hochwertigen tschechischen Musikliteratur verpflichtet fühlte. "DAMIT HABEN WIR EINE NEUE DIMENSION GESCHAFFEN", wie es Ernst Mosch 1991 über die große Klasse von JANA TANZT formulierte. Eine Analyse dieser Jahrhundert-Polka folgt separat. Leider spielte der Seniorchef sie niemals live. Ernst Hutter spielte JANA TANZT in 2005 auf meine mehrfache Anregung erneut ein, allerdings beinahe in Allegro-Tempo, was die Extra-Klasse des Stückes nicht ganz zum Ausdruck bringt. - Elmar Wolf produzierte in 1994 einen weiteren großartigen Titel Skabradas, die PROMENADEN-POLKA. Diese verdient ebenfalls eine besondere Betrachtung. Die punktierte aufsteigende Skala im A-Teil und deren folgende Resignation offenbaren klare sinfonische Klasse. Beide moll-Zwischenspiele der PROMENADENPOLKA zeichnen sich durch die einzigartige Allusion an slawische Tänze aus, die Skabrada ebenfalls ausmacht. Das Trio ist hochinteressant: auf ein tänzerisches Motiv von Trompetenterzen folgt ebenfalls eine Resignation, jetzt durch die Flügelhörner. Die direkte Dur-moll-Variante der Hörner und Posaunen erinnert gar an das Dur-moll-Motiv von Mahler 6, und scheint das Geschehen anzuhalten. Das staccato-Sexten-Thema der folgenden Gruppe führt das Trio allmählich in gewohnte Diatonie zurück, allerdings mit immer wieder auftretenden verminderten Akkorden, selbst noch in der Schlußgruppe, die erst in den letzten vier Takten affirmativ und beruhigend wird. Umso drastischer ist der Ausbruch des moll-Zwischenteils. Die PROMENADEN-POLKA gehört eindeutig zu den komplexesten Kompositionen Skabradas, und es ist gut, dass Elmar Wolf sie sourcte und einspielte. --- Nach dem Tode Skabradas schienen auch sinfonische Polkas in seinem Stil nicht mehr möglich zu sein. Zwei hochklassige Kompositionen des Postmillenniums beweisen erfreulicherweise das Gegenteil: die Konzertpolkas GEDANKENSPRÜNGE (2002) von Franz Gerstbrein und RAPHAEL (2011) von Thomas G. Greiner. Beide erreichen die bestimmte Synthese aus dem speziellen Ton wie ihn Skabrada schuf, und Motiven in besonderem Rhythmus.-


Jaroslav Skabrada: Jana tanzt"

1991 produzierte ERNST MOSCH einen seiner allergrößten Titel überhaupt: die Konzertpolka JANA TANZT von Jaroslav Skabrada, im Arrangement von Franz Bummerl. Eine "neue Dimension geschaffen" hatte Mosch jedoch bereits zuvor, zunächst 1968 mit der LEBENSFREUDE, der Ersteinspielung eines Titels Skabradas, eine neue Dimension war auch 1972 die chromatisch gefärbte SEHNSUCHTS-POLKA, welche den Beginn einer Reihe hochklassiger Titel von Frank Pleyer markierte. ---- Im Prinzip ist der A-Teil von JANA TANZT zunächst unauffällig mit einem Legato-Motiv und diatonischer Harmonik. Die Aufwärtsbewegung in der Fortentwicklung des Themas vergrößert den Ambitus jedoch erheblich bis zur None, die durch eine fallende Skala umspannt wird. Im 19. Takt wird das Thema in die moll-Parallele überführt, die gar noch affirmiert wird und zu einem Halbschluß auf der oberen Mediante führt. Die Schlußgruppe wirkt mit seiner steigenden Tritonus-Folge und anschließender Wiederholung ganz besonders. Es gibt, auch bei Skabrada, wenig vergleichbare Folgen in der böhmischen Blasmusik. - Eine Spezialität Skabradas waren die moll-Zwischenspiele, und diejenigen von LEBENSFREUDE und JANA TANZT ganz besonders. Es ist Harmonik des zweiten Teils des JANA-TANZT-moll-Zwischenspiels im a-Teil, die von moll-kommend wegen eines harmonisches Umweges über moll überraschend zur Dominante führt, dem Titel das letzte i-Tüpfelchen aufsetzt. Eine fast glissando-artige fallende Skala führt zur a-Teil-Reprise zurück. Wenn Mosch und Bummerl diese noch etwas variierend instrumentiert hätten, z.B. mit einer Trompetensexte als Oberstimme in den Legatomotiven oder einer fallenden Tuba-Skala als Antwort auf die steigenden Skalen der Melodie, wäre das eine weitere Krone für JANA TANZT gewesen, vielleicht trauen sich künftige Arrangeure daran.--- Das Trio beginnt mit einer Einleitung ähnlich wie GOLDENE MUSIK. Auch der Ambitus des Trios ist recht weit gespannt. Die harmonische Wirkung wo sich das Motiv in die Dominante wendet, ist besonders: man glaubt nicht nur den Dominantseptakkord zu hören, sondern auch dessen Alteration durch die Sekunde in der Melodiestimme (Dom 2/7). In der Seiten- bzw. Schlußgruppe werden die Flügelhörner fast exaltiert nach oben geführt. Ernst Hutter gelang in seiner Einspielung 2005 bei der Triowiederholung eine ausgezeichnete Bereicherung durch eine zusätzliche Oberstimme des Tenorhorns. Anders als die übliche dreiteilige Liedform ist JANA TANZT schematisch A-B-A-T-T-C-C aufgebaut, wobei C ein abschließender Mollteil ist. Seine Komplexität übertrifft jedoch die üblicher moll-Teile: an die übliche Folge Paralleltonart-Dominante schließt sich eine besondere Schlußgruppe an. Die stimmführenden Posaunen führen zunächst in eine Subdominant-Non-Harmonie und erst dann zur Tonika. Besonders ist auch die variierte Wiederholung dieser Schlußgruppe, und deren scheinbarer Trugschluß auf der Sekunde, ein einmaliges Stilmittel in der böhmischen Blasmusik.-


ERNST MOSCH und JARAOSLAV SKABRADA: Nachwort

Ein kleines Nachwort vom Herausgeber der Webseite BLASMUSIKBÜRO:

Ob in Konzerten, im Rundfunk oder im Internet, überall wird, meines Erachtens völlig zu Recht, Ernst Mosch als der „Übervater“ der traditionellen Blasmusik dargestellt. Er hat die Blasmusik tschechischer Herkunft nach seinen Vorstellungen in aller Welt verbreitet, populär gemacht und den gegenwärtigen Boom der Blasmusik aus Böhmen, Mähren und letztendlich auch aus der Slowakei hervorgerufen.

Wer seine Konzerte besuchte und dort angesichts der einzigartigen Musiker-Persönlichkeit Ernst Mosch, des Könnens seiner Musiker und Arrangeure und weil ihn, den Konzertbesucher, diese „böhmische Musik“ bis in`s Tiefste ergriff, die Perfektion von Kapellmeister und Orchester faszinierte und deshalb auch raffiniert Komponiertes, Schwieriges erhoffte stellte immer wieder auf`s Neue fest: ERNST MOSCH und JAROSLAV SKABRADA sind eine einzigartige Symbiose hochkarätiger, symphonisch angehauchter böhmischer Blasmusik. Das Wesensmerkmal des symphonischen Einschlags der Skabrada-Werke habe ich nur bei Ernst Mosch so erlebt, bisher nie bei den wenigen Tonträger-Veröffentlichungen von tschechischen Blaskapellen, die es von Jaroslav Skabrada in seiner Heimat gibt. Es war wie im musikalischen Himmel, wenn Ernst Mosch „seinen“ Skabrada intonieren, ja zelebrieren ließ. Es ist die Erinnerung an wunderbare Konzerte, die mich noch heute zu dieser Begeisterung führen.

Wer heute Skabrada in hoher Güte hören möchte begebe sich in ein Konzert von Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten.

Jürgen Enser


Jaromir Vejvoda und Ernst Mosch

JAROMIR VEJVODA UND ERNST MOSCH – Vejvodas Kompositionen der 30er Jahre machten ihn zu einem der führenden Komponisten böhmischer Polkas des 20. Jahrhunderts. Sein Stil weist mehrere typische, immer wieder kehrende Elemente auf:

1. Die Wendung in die Subdominante im 17. Takt des Trios in fast allen Kompositionen

2. Die nach einem punktierten Wechselton aufsteigende Quintfolge, oft als Einleitungs- oder Übergangsmotiv (z.B. Beginn ‚Ach ja die Liebe‘),

3. Dagegen auch absteigende Quintfolgen, oft als Einleitungsmotiv (z.B. Beginn ‚Ich freu mich so auf ein Wiedersehn‘)

4. Die noch einmal in die vorherige Grundtonart wechselnde Schleife zu Beginn der Trios (z.B. ‚Die Zeit vergeht‘)

5. Betonung der Sexte bzw. Hinführung zur Sexte in der Melodiefolge (z.B. Trios ‚Rosamunde‘, ‚Du bist allein‘)

6. Mehrerer 16tel Auftakt und sforzato-Beginn des Themas (z.B. A-Teil ‚Böhmische Mädchen‘).-------------

Ausgerechnet seine bekannteste Komposition ŠKODA LÁSKY (Rosamunde) von 1927 weist besonders wenig Vejvoda-Typizität auf, während fast alle anderen Werke eindeutig seinem Stil zugeordnet werden können. Mit den Posaunen im Trio der ‚Rosamunde‘ ließ Mosch 1963 erstmals diese Instrumente die Melodie führen. Anders als seine Zeitgenossen schrieb Vejvoda keine Märsche. Ernst Mosch nahm insbesondere ab 1975 viele Titel Vejvodas auf. ----------- Beispiele von Mosch zu großer Bekanntheit geführten Kompositionen sind ausser dem Double ‚Rosamunde‘ und ‚Amsel-Polka‘ die Polkas ‚Liebespärchen‘(1961), ‚In deinen Armen‘(1965)‚ ‚Alles geht einmal zu Ende‘ (1976), sowie besonders melodiöse Walzer wie ‚Bei Kerzenlicht‘ (1974), ‚Nur wer die Heimat liebt‘ (1985) und ‚Sommernacht in Prag‘ (1997). Elmar Wolf produzierte in 1991 einen weiteren besonderen Konzertwalzer Vejvodas mit dem Titel ‚Böhmisches Kristall‘. Eine Gesamtaufnahme der bekannten ‚Amsel-Polka‘ erfolgte durch Mosch erst 1981. In diesem Jahr trafen die beiden Musiker auch einmal in Prag zusammen. 1995-1997 produzierte Mosch einige Polkas, bei denen Vejvodas Söhne als Autoren angegeben sind, darunter die markante Polka ‚Repete‘, die mit einer Variation der ansonsten einzigartigen Einleitung der Trioreprise von ‚Rosamunde‘ beginnt.


10 Meilensteine der böhmischen Musik

10 MEILENSTEINE BÖHMISCHER MUSIK in chronologischer Reihenfolge ---------- 1. Ernst Mosch, RAUSCHENDE BIRKEN (Vaclav Kaucky) – Im Anfang war – nicht das Wort, sondern ein instrumentaler Walzer, in dem die ganze Sehnsucht einer Generation nach verlorener Heimat ausgedrückt zu werden schien. „Als die Birken anfingen zu rauschen, ging für Ernst Mosch die Sonne auf“, wie es Gerd Haucke 1981 leicht ironisch formulierte. Eingängige, doch nicht sehr markante Melodien, die ideelle Bedeutung des Liedes wirkt ungleich höher und markierte nicht nur den Eckpfeiler für den kommenden Erfolg Moschs, sondern definierte auch die Zukunft und den ideellen Wert der Blasmusik in der Nachkriegszeit neu: nicht mehr als Marsch- oder Stimmungsmusik, sondern als Musik für StimmungEN. --------- 2. Ernst Mosch, FUCHSGRABEN (Karel Vacek) – Generationen wurden von Moschs Phrasierungsanweisungen in einer Liveaufnahme von 1981 geprägt, der Fuchsgraben ist ohne diese heute kaum noch vorstellbar: Die Crescendi und Decrescendi des A-Teils machen gerade seine die Quarte anstrebenden Spannungsbögen aus. Das 2/4-Takt Pendant der Rauschenden Birken, ein Kick-Off-Titel der böhmischen Blasmusik überhaupt. Die Melodie des Trios wurde durch das Plagiat eines Trinkliedes (Geh Alte schau mi net…‘) noch bekannter. Bis heute ist der Titel fast nur instrumental zu hören, obwohl es einen romantisierenden Text dazu gibt .--------- 3. Rudolf Urbanec, SALVE IMPERATOR (Julius Fucik) – Urbanec galt zu seiner Zeit global der beste Dirigent von Märschen, das erkannte auch Mosch. Während Mosch von unzähligen Kapellen versuchsweise kopiert wurde, nahm er selbst für seine (geglückten) Interpretation von Märschen Urbanec als Vorbild. Salve imperator gilt als „Fuciks Fetzer“, beginnend mit der f-moll-Fanfare zu Beginn, über viele mediantische Wendungen im Laufe des Melodieflusses, bis hin zum kantablen, mit reichlichen Fanfarentriolen durchzogenen Schlussteil. Die Aufnahme Urbanecs bringt das prachtvolle Pathos und die mächtige Bewegung des Marsches perfekt zur Geltung. --------------- 4. Ernst Mosch, BÖHMISCHER WIND (Ernst Mosch/Bruno Zwinger) – 10 Jahre nach den Rauschenden Birken schuf Mosch eine Steigerung musikalischer Heimatliebe, in musikalischer und auch ideeller Hinsicht. Der Text dürfte sein nachhaltigster sein. Nicht umsonst wurde gerade dieser Titel am Begräbnis seines Schöpfers gespielt. Die Coda tiefer Instrumente ist einzigartig unter allen Blasmusik-Titeln - und ist ein Blick in die Ewigkeit. -------------- 5. Ernst Mosch, LEBENSFREUDE (Jaroslav Skabrada) – Ernst Mosch erkannte Mitte der 60er Jahre, dass der Anspruch eines erfolgreichen Orchesters auch durch anspruchsvolle Kompositionen unterlegt werden muss. Mit ‚Auf dem Heimweg“ und ‚Lass mich nie allein‘ hatte Mosch schon 1967 zwei sinfonische Polkas aufgenommen, die ‚Lebensfreude‘ schuf in 1968 endgültig eine neue Dimension. Wie Mosch und sein Team den wohl besten, aber damals völlig unbekannten Komponisten böhmischer Polkas fanden, ist ein Geheimnis; klar ist, dass die ‚Lebensfreude‘ mit seiner Klasse und Delikatesse zu DEM Klassiker sinfonischer Polkas wurde. Schon in 1969 nahm Mosch mit ‚Musikantenstolz‘ eine weitere Komposition Skabradas auf, dann für über 10 Jahre kurioserweise nicht, erst wieder ab den 80er Jahren. ------------- 6. Ladislav Kubes, DIE SÜDBÖHMISCHE (SÜDBÖHMISCHE POLKA) (Ladislav Kubes) – Unter den zahlreichen Kompositionen Kubes‘ wurde die Südböhmische ab den frühen 70er Jahren zu einem Klassiker. Langgezogene Phrasen des A-Teils werden durch einen bewegten Mittelteil und das dreherhafte Trio bestimmt. Die Klarinetten des Trios sind wohl das Herz des Titels, der Trompetenpart in seiner letzten Wiederholung eine grandiose Apotheose einer eingängigen, oft kopierten Melodie. Auch hier ist erstaunlich, wie Ernst Mosch diesen Titel unter all den vielen Kompositionen Kubes‘ schon 1971 sourcte. -------------- 7. Ernst Mosch, MUSIKANTENPARADE (Wenzel Zittner – Simon Hardenbergh) – Stellvertretend für die großartigen zahlreichen Kompositionen Frank Pleyers (alias Simon Hardenbergh) der 70er Jahre sei dieser Marsch der Spitzenklasse genannt, den Ernst Mosch in seinen letzten Schaffensjahren besonders gerne spielte. Pleyer schrieb für und zusammen mit Ernst Mosch ab 1972 so viele Titel, die sich durch innovative Tonalität und markante Motive auszeichneten, allerdings wurden manche Motive von ihnen in weitere Titel einfach kopiert. Die Bedeutung Pleyers für Mosch ist nicht zu unterschätzen; Mosch bezeichnete ihn einmal auch als seinen allerbesten Arrangeur. ----------------8. Michael Klostermann, DAS IST MEIN LEBEN (Franz Watz) – Einen eigenen Stil und eine eigene Richtung wurde ab den 80er Jahren von Franz Watz geprägt: polyphone Dichte, Kontrapunkte, ein verstärktes Einbeziehen der tiefen Instrumente in die Stimmführung, ungewöhnliche Instrumentenkombinationen. Watz schrieb in den späten 80er und den 90er Jahren eine Reihe von Titeln der Spitzenklasse; stellvertretend für sie sei hier seine wohl eminenteste Bravourpolka genannt, die von Michael Klostermann von Anfang an mit höchster Virtuosität interpretiert wurde. Die Harmoniefolge im Trio ist ein Precursor für eine ganze Generation von Polka-Kompositionen danach. ------------- 9. Wolfgang Grünbauer, GEDANKENSPRÜNGE (Franz Gerstbrein) – Nach dem Ableben von Jaroslav Skabrada war nicht abzusehen, ob jemals wieder sinfonische Polkas geschaffen werden würden. Glücklicherweise war das Gegenteil der Fall: Mit der harmonisch und stimmführungsmäßig hochinteressanten Bravour-Polka bewiesen Grünbauer und Gerstbrein um die Jahrtausendwende, dass das Schaffen einer solchen Klasse nicht nur Skabrada vorbehalten war. Schon zuvor hatte Franz Watz 1994 mit der Bravourpolka ‚Zärtlichkeiten‘ einen erfolgreichen Vorstoß gewagt, jedoch noch nicht die harmonische Komplexität erreicht, die die ‚Gedankensprünge‘ auszeichnen. Nach 2000 entstanden einzelne weitere sinfonische Titel der First Class, wie die Märsche WIE SAMT UND SEIDE von Michael Kuhn und STERNSTUNDEN von Guido Henn, die RAPHAEL-POLKA von Thomas G. Greiner, und der folgende Titel: ------------- 10. Guido Henn, MUSIKANTENSEHNSUCHT (Guido Henn) – Als Guido Henn 2011 die Musikantensehnsucht erstmals aufführte, wurde allen Hörern und Beteiligten sofort klar, dass es sich hier um einen ganz besonderen Titel handelt. Eine perfekte Synthese aus Kantabilität und Komplexität, Stimmführung und Transparenz. Unter allen Attributen sei die Harmoniefolge im Trio genannt, durch den Gegenklang mit einer herrlichen Allusion an die große Dolannes-Melodie, die emphatisch auf- und absteigenden Tonfolgen, einer spannenden Steigerungsphase vor der Trioreprise, die schon deren Pathos antizipiert, und die einzigartige Coda, die noch ein i-Tüpfelchen auf die melodische Klasse setzt.


Ernst Mosch und Franz Bummerl

ERNST MOSCH UND FRANZ BUMMERL – Hinter dem Gesangsduo der Original Egerländer Musikanten von 1958 bis 1977 (vereinzelte Auftritte auch bis 1991) stehen zwei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten: Der zielstrebige, temperamentvolle und dominante Erfolgsmensch Ernst Mosch und „sein“ Arrangeur und Komponist Franz Bummerl, der „schüchterne junge Mann“ wie er in einer Conférence genannt wurde. Bummerl sagte 1991 in einem Interview über Mosch etwas schelmisch „letzten Endes habe er [Mosch] immer recht“, was so viel heißt, dass er sich dem Willen des heißblütigen „Alten“ stets beugen mußte und es auch konnte. Deswegen zog er sich zu seiner Verrentung 1992 von diesem zurück. Bummerl hatte einen gewagten Schritt in 1966 gewagt, als er sich ganz für die Egerländer entschied und wie Mosch bei Prof. Erwin Lehn kündigte. Die sonore Bariton-Stimme Bummerls war hernach nur noch selten auf Egerländer Gesangsaufnahmen zu hören, allerdings wurde Bummerl nach dem Ableben von Georg Ernszt ab 1968 erster Konzertmeister, eine Rolle, die ihm anfangs nicht sehr behagt haben soll. Ab 1968 trug er bei Auftritten und Fototerminen auch stets ein Toupet. Mosch billigte ab 1963 einen von Bummerl komponierten Titel pro neuem Egerländer Album zu; diese Vereinbarung hielt bis 1990. Dabei sind einige hochwertige Titel Bummerls zu nennen, von denen allerdings keine solche Erfolgstitel wurden wie manche von Ernst Mosch und Gerald Weinkopf. Ab 1981 griff Bummerl verstärkt auf Egerländer Volksweisen zurück. In der Beliebtheit stand Bummerl nicht weit hinter Mosch – als er 1986 bei der Jubiläumstournee nicht teilnahm, kamen viele Fragen von Freunden und Konzertbesuchern nach ihm auf, so dass sich Mosch entschied, Bummerl in seine nächste Tournee, also 1989, wieder stärker einzubinden.


Original Donauschwaben

Die ORIGINAL DONAUSCHWABEN - Jubiläum 50 Jahre!

Das 1964 gegründete Orchester erreichte zwar nie den Sound der Spitzenblasorchester der 60er und 70er Jahre, hat jedoch für die Interpretation echt donauschwäbischer Literatur eminente Bedeutung.

Gründer des Orchesters war der Musikwissenschaftler Robert Rohr. Von 1964 bis 1978 leitete Kornel Mayer das Orchester, von 1978 bis 1983 Josef Schmalz, und nach 1983 Jakob Konschitzky. 1964/65 erfolgte ein kurzfristiges Joint Venture mit Nikolaus und Josef Augustin. Technischer Leiter und Organisator war Heinrich Klein.

Ca. die Hälfte der Titel war vom Donau-Duo besungen: Dies waren 1964–1967 Emilie und Friedrich Ticak, und 1968–1983 Theresia und Matthias Klein, ferner 1969 drei Titel mit dem Gesang von Franz Kromer, 1970 eine Produktion mit dem damals 12-jährigen Sänger Armin Schäffer. Fast alle Texte wurden von Robert Rohr geschrieben, teilweise unter seinem Pseudonym Nik Trebor. Die beiden erfolgreichsten Titel sind die Walzer „Rosen der Liebe“ und „Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn“, beide aus 1970.

Unter Kornel Mayer, 1,93 m groß, blond und auffallend stattlich, erreichte das Orchester seinen Zenit. Die folgenden Dirigenten Josef Schmalz (1979-1983) und Jakob Konschitzky (nach 1983) konnten nicht mehr an die Leistungsfähigkeit Mayers anschließen. Kornel Mayer (*1917 in Karlsdorf) verstarb 1980 in Wattenheim/Pfalz. 1978 musste er wegen schwerer Krankheit die Direktion des Orchesters an Josef Schmalz abgeben.
In den ersten Jahren wurde eine ausgesprochene "Selecao" der besten donauschwäbischen Polkas, Märsche und Walzer gespielt: Die Produktionen von 1964 bis 1973 gelten als die musikalisch wertvollsten des Orchesters, wenn auch die Tontechnik später deutlich verbessert wurde.

Die Literatur des Orchesters besteht zu über der Hälfte aus Kompositionen, die vor 1945 in der osteuropäischen Heimat von lokalen Autoren geschrieben wurde. Die am häufigsten interpretierten und auch nach allgemeiner Einschätzung besten Autoren darunter waren

- SYLVESTER HERZOG (am meisten)- z.B. ELISABETH-POLKA, WENN MAN 50 WIRD (SINDELFINGER POLKA), GRETE-POLKA, GIB MIR EINEN KUß, EIN FROHES WIEDERSEHN, MACH DIR DAS LEBEN SCHÖN u.v.a.

- ADI FRIESZ, z.B. IMMER WIEDER BLASMUSIK, LIEBE SÜßE KLEINE, AUF ZUM GLÜCK...

- RUDOLF REISNER - z.B. IDA-POLKA, ILSE-POLKA, SCHÖNE MARGARETE, KLOSTERGLOCKEN-WALZER...

- WILHELM SCHWEITZER - z.B. FREUDE AN BLASMUSIK, HOCHZEITS-LÄNDLER...

- JOHANN ALBETZ, z.B. ERNESTINE-WALZER, TRAUM-WALZER...

Unter den besonderen Titeln der Anfangsjahre sei noch besonders der Walzer FESTTAGSFREUDE von Johann Kern, im Stil von EIN ABEND AM MEER, sowie der KORNBLUMENLÄNDLER von Bernhard Orth, und Marsch GRUß DER HEIMAT von Hans Freivogel genannt. Die schon zuvor genannte IDA-POLKA und das Polkalied LUSTIGE ZEIT- LUSTIGE LEUT‘ waren in den frühen Jahren die besonderen Stücke für Stimmung und Schwung.

Auch zeitgenössische donauschwäbische Autoren schrieben schon in den ersten Jahre mehrere Titel - und zwar ihre besten:
TIBOR REISNER - WER SICH AUF ZWEI STÜHLE SETZT, WENN ES NUR NOCH LANG SO BLEIBT u.v.a.

MARTIN DROTTLEFF verarbeitete Volksweisen der alte Heimat und ließ deren Motive einfließen. Er schreib u.a. HEIMAT-POLKA, URLAUBER-POLKA...

ANDREAS RASTEL - KATHREIN-POLKA, GRUß AN DIE HEIMAT, MACH DIR DAS LEBEN SCHÖN...

Andreas Rastel spielte ab 1973 Bariton, zuvor jedoch eine echte Kontrabaß-Tuba: Sein kraftvoller Ansatz mit diesem Instrument trug maßgeblich zu manchen kraftvollen Passagen der Begleitung bei.
1970/71 realisierte Mayer ein Experiment mit einer besonderen Holzbesetzung aus 2 Es-Klarinetten und 1 B-Klarinette. Gerade bei den Ländlern und der PETSCHAUER POLKA wirkte diese besonders "smart".

Die Aufnahme LUSTIGE ZEIT-LUSTIGE LEUT für die USA-Tournee ist technisch nicht sehr gelungen. Das ist umso bedauernswerter, da solch wertvollen Titel wie RESI-POLKA (=SCHÖNE SERENADE/SEHNSUCHTSPOLKA) oder AUF ZUM TANZ (=SOMMERNACHT IN PRAG) eingespielt wurden. Eine Ferdi Chrastansky zuzuschreibende Polka der business class wurde als Titel DU NUR DU eingespielt.

Die Standardbesetzung des Orchesters war wie folgt: 1 Es-Klarinette (1970–1971 auch 2. Es-Klarinette), 2 B-Klarinetten, 4 Flügelhörner (4. auch Trompete), 4 Tenorhörner, 3 Posaunen, 1 F-Tuba, 1 Kontrabaßtuba, Schlagwerk mit kleiner Trommel, großer Trommel, Standbecken und Schlagbecken].

Die LP EIN FROHERS WIEDERSEHN von 1970 gilt nach mehrfacher Meinung als eine der besten aus der Geschichte der Original Donauschwaben, und das hat mehrere Gründe: 1. Die Titelauswahl umspannt ein größeres Spektrum als bei den anderen Alben; die Farbe kommt zusätzlich durch den Gesang des damals 12jährigen ARMIN SCHÄFFER und entsprechend passende Texte mit einem freien Kind-Ich (MARSCH INS BETT, WENN ES NUR NOCH LANG SO BLEIBT).- 2. Die Titelauswahl umfasst hochwertige Titel - man denke nur an den Lead-Track, den perfekt harmonischen Walzer EIN FROHES WIEDERSEHN, die markante Polka ZWISCHEN DONAU UND THEIß mit ihrer herrlichen Subdominantparallele im Trio, den kraftvollen HOCHZEITSLÄNDLER, das vertonte Goethe-Gedicht KENNST DU DAS LAND, die schwungvollen Polkas LIEBE SÜßE KLEINE, PARADIES-GALOPP und URLAUBER-POLKA, und die beiden böhmisch klingenden Polkas AUF ZUM GLÜCK und PETSCHAUER POLKA. - 3. Erstmals ist auf diesem Album der Erfolgstitel ROSEN DER LIEBE eingespielt, und das mit gelungenem Gesang abwechselnd zwischen dem Donau-Duo und Armin. - 4. Das interessante Experiment mit zwei Es-Klarinetten wirkt gerade beim HOCHZEITSLÄNDLER und der PETSCHAUER POLKA eindrucksvoll. Freilich wurde die Tontechnik später erheblich verbessert.- 5.- Die Reihenfolge der Titel ist insbesondere bei der A-Seite gelungen: Schon als Kind fiel mir die aufstrebende Linie der Stimmungen auf: vom nachdenklichen KENNST DU DAS LAND und im Trio des Folgetitels, der wehmütigen Subdominantparalle, umgeben von schwungvollen Motiven in ZWISCHEN DONAU UND THEiß, und dem "Haltepunkt" HOCHZEITSLÄNDLER, über den Schwung von MARSCH INS BETT und der URLAUBER-POLKA, bis hin zum Licht wie einem Zielpunkt: das positive Lebensgefühl im Walzer EIN FROHES WIEDERSEHN und dem abschließenden "Gloria" des SILBER-MARSCHES. Auf der zweiten Seite wirkt die Polka LIEBE SüßE KLEINE des großartigen donauschwäbischen Komponisten Adi Friesz wie ein Zielpunkt.

1972 leitete die zweite von drei Phasen der Original Donauschwaben 1964-1983 ein: Sie dauerte 1972-1977 und umspannt Produktionen unter dem Produzenten Waldemar Simon. 1970/71 hatten Robert Rohr und Kornel Mayer das Orchester zu einem gewissen internationalen Bekanntheitsgrad geführt. Dadurch wurde die Formation auch für Waldemar Simon, Produzent bei Robert Payer, interessant. Die größten Früchte seines Wirkens für die Original Donauschwaben in dieser Zeit sind eine Vergrößerung der Kontakte des Orchesters, Erhöhung der Anzahl der Auftritte und eine deutliche Verbesserung der Tontechnik. 1972 fand auch ein größerer personeller Wechsel im Orchester statt: So schied, von Matthias Krauss abgesehen, der ganze Klarinettensatz aus, und im Flügelhorn wurde dringend Verstärkung benötigt. So kamen viele Neuzugänge von 1972 wie Peter Mayer jun., Josef Schmalz, Georg Zultner, oder Konrad Racketseder und blieben lange Jahre im Orchester. - Während die erste unter Simon produzierte LP FREUDE AN BLASMUSIK noch mit Technik der 60er Jahre aufgenommen wurde (dabei jedoch mit besonders markanter Kontrabaßtuba!), klingt das Folgealbum von 1973 MACH MIR DAS LEBEN SCHÖN um Quanten sauberer und runder. Mehr noch, gerade dieses Album gehört zu den besten LPs der Original Donauschwaben, mit dem schwungvoll-positiven Erfolgstitel MACH DIR DAS LEBEN SCHÖN von Sylvester Herzog, Andreas Rastel und Robert Rohr, der weichen und kompletten Tenorhorn/Bariton-Textur im TRAUM WALZER, den dynamischen Polkas FROHE STUNDEN und UNVERGESSLICHE ZEIT, dem KAISERMARSCH, und den mehr besinnlichen Titeln ALLES ALLES GUTE und BLÜHENDE ROSEN. A BIER WÄR JETZT RECHT bildete neben WER SICH AUF ZWEI STÜHLE SETZT und SCHADE EWIG SCHADE die Triade der drei besten Stimmungslieder des Orchesters und des Donau-Duos Resi und Mathias Klein.- Simons Schattenseite war, dass er Simon die zuvor autark entscheidenden Robert Rohr und Kornel Mayer nach harten Diskussionen zwang, einem Fehler zu folgen, den alle erfolgssüchtigen Produzenten bis heute machen: banale bekannte Titel einzuspielen. Den Schneewalzer oder gar die Haselnuß, oder Mein Herz das ist ein Bienenhaus, die hätte der geneigte Hörer wirklich nicht gebraucht, sie waren eine banale Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hat. Bei Robert Payer unterließ Waldemar Simon erfreulicherweise solche Experimente weitgehend. Auch einige Eigenkompositionen Simons, meist unter den Pseudonymen Sarabin oder Felten, lagen etwas daneben: Die Texte der Titel IN ALLEN MEINEN TRÄUMEN oder die JAGD IST SCHÖN werden wie eine Leier ständig wiederholt, das WESTERWALDLIED passt nicht recht zu den Donauschwaben. Gerade die durchwachsenen Alben DONAUSCHWABENGRüßE und AUS DER HEIMAT tragen die Handschrift Simons aus seiner negativen Seite. Freunde der Donauschwaben beklagten eine nur kleine Anzahl echt donauschwäbischer Komponisten wie Sylvester Herzog oder Rudolf Reisner.- Jedoch sind eine Reihe gelungener Titel dieser Zeit nicht zu vergessen, allen voran die kraftvolle Polka FREUDE AN BLASMUSIK (1972) mit markanten Kontrabasstubafiguren, komponiert von Wilhelm Schweitzer, auch dessen Walzer VERLIEBTE HERZEN (1974), Laurin Munter schrieb in seinem besonderen Stil den Konzertwalzer FRÖHLICHER REIGEN, dann die schwungvollen Polkas SCHATZ DIE WELT IST SCHÖN (1972) und MÄDEL LEBE WOHL (1974) mit den typischen eleganten Wechseltonmotiven von Josef Engler, die "Fetzer" AUS GUTENBRUNN und FRÜHLINGSBLÜTEN (beide 1974), und die tänzerische Polka BLUMENTHALER JUGEND von 1975. Von 1976 beeindrucken eine saubere Neuaufnahme des Erfolgstitels ROSEN DER LIEBE, der Walzer ROSE DER HEIMAT mit herrlichen Terzsextakkorden im vom Tenorhorn/Bariton geführten Trio, und SCHWÄBISCHE HEIMAT mit einem wirklich sehr schönen Text, dann aus 1977 die Stimmungspolka SCHADE EWIG SCHADE, die Polka IN DER BANATER HEIDE von Josef Schmalz (die interessanterweise dem A-Teil von SCHADE EWIG SCHADE gleicht), sowie der besinnliche KLOSTERGLOCKEN-WALZER.
die Polka IN DER BANATER HEIDE von Josef Schmalz (die interessanterweise dem A-Teil von SCHADE EWIG SCHADE gleicht), sowie der besinnliche KLOSTERGLOCKEN-WALZER.

1978-1983 umspannte die dritte und letzte Phase des wirklich aktiven Wirkens der Original Donauschwaben und des Donau-Duos. Kornel Mayer, erst 60 Jahre alt geworden, erkrankte in 1977 schwer. Es mußten Entscheidungen in diesen Monaten getroffen werden. Als neuer Dirigent trat Josef Schmalz an; für ihn sprach seine künstlerisch-musikalische Begabung. Das persönliche Standing und die Dynamik wie Kornel Mayer hatte er freilich nicht. Auch die Liaison mit Waldemar Simon wurde gelöst, eine richtige Entscheidung wie die jetzt wieder echt donauschwäbische Titelauswahl der 1979-1981 mit Josef Schmalz produzierten Alben JA JA DIE SCHWABEN, GOLDENE ERINNERUNGEN und HEIMAT AN DER DONAU aufzeigt. Ein viertes Album war schon eingespielt, und leider nie produziert. Die Tontechnik dieser drei letzten Alben der Original Donauschwaben war übrigens die beste des Orchesters. Im Holzsatz spielten professionelle Musiker des Bayrischen Rundfunks bei den Studioaufnahmen. Josef Schmalz selbst schrieb einige gelungene Titel, deren Stil an den böhmischen angrenzt: allen voran die Polka AM DONAUSTRAND mit großartiger Tenor/Bariton-Textur; die Polka mit dem BLAUE AUGEN mit den markanten Klarinetten-16teln im Trio und das Walzerlied JA JA DIE SCHWABEN. Letzterer Titel wurde 1980 bei Lustige Musikanten zusammen mit der Herzog-Polka DU BIST DIE SCHÖNSTE, mit dem Trompetensolo von Andreas Mayer, gesendet. DIE MUSIKANDE SIND HEIT FROH ist nach der über zehn Jahre zuvor produzierten FROSCH-POLKA der zweite der beiden Gesangstiteln mit donauschwäbischem Akzent. Besonders schöne Gesangstitel beeindrucken ebenfalls auf den letzten drei Alben: GOLDENE ERINNERUNGEN, WENN ALLE BLUMEN BLÜHN, HEIMAT AN DER DONAU, ICH BRING DIE EINEN FLIEDERSTRAUSS. Einer der besten Walzer der Original Donauschwaben ist LIEBESGEDANKEN von Johann Kern. Die Volksweisen-Polka RÜHRT EUCH DOCH wurde gekonnt eingespielt. Beim Walzer OSTERBLUMEN und dem klassischen ANNA WALZER von Rudolf Reisner beeindruckt die fast perfektionierte Sauberkeit des Tenor/Bariton-Satzes, ganz besondes. Die Polka DER JUNGGESELLE von Slyvester Herzog enthält eine unbeabsichtige Allusion an GLORY GLORY HALLELUJAH. Auch Aufnahmen der beiden Ländler LETZTFASCHING und KATHI wissen zu gefallen. Robert Rohr schrieb viele Texte mit Geist und Niveau, bei den beiden 1981 produzierten banal wirkenden Polkas FÜR UNSRE FREUNDE und vor allem SEID IHR ALLE WIEDER DA, wird das leider vermißt. - Die Elektronisierung der Musik ließen die "gute alte Blasmusik" Ende der 70er Jahre mehr und mehr ins Hintertreffen geraten. Die Anzahl der Auftritte sank ab 1980 rapide, und die Mitglieder des Orchesters wurden auch nicht jünger. So kam was kommen mußte: 1983 entschied sich die Führung des Orchesters, Vorstand Robert Rohr, Dirigent Schmalz und das Donau-Duo Resi und Mathias Klein, zurückzutreten. Ihnen folgten viele führende langjährige Musiker, wie Konzertmeister Andreas Mayer, Schlagzeuger Peter Mayer sen., Hans Hensel und Andreas Rastel. An einem denkwürdigen Kameradschaftsabend am 5. November 1983 wurden alle verabschiedet. Neuer Dirigent wurde wieder ein Flügelhornist des Orchesters, Jakob Konschitzki. Danach gab es leider nur noch vereinzelte Auftritte: Die große Zeit des Orchesters war vorbei. Der Zeitgeist der 80er Jahre, die Banal- und Beierleinisierung der Volksmusik, war stärker. In unseren Herzen und mit ihren Aufnahmen werden uns die Original Donauschwaben und das Donau-Duo jedoch unvergesslich bleiben.


Böhmischer Wind

BÖHMISCHER WIND - 10 Jahre nach dem Senkrechtstart mit den RAUSCHENDEN BIRKEN schufen Ernst Mosch und Gerald Weinkopf eine Ausweitung der Heimatliebe, mit einem Blick in die Ewigkeit: Der BÖHMISCHE WIND war ab 1967 Bestandteil auf jedem Konzert von Ernst Mosch. Einer seiner allergrößten Titel mit einem ganz besonderen Ausdruck in Text und Textur: Die Legato-Melodien schaffen eine tiefe Ruhe, die den Wind symbolisierende Chromatik der tiefen Klarinetten ist einzigartig in den Werken von Ernst Mosch. Der monumentale Epilog dieser Läufe auf dem tiefen Blech tritt ebenfalls einmalig auf, und ist der besagte "Blick in die Ewigkeit". Seit der Tournee 1989 wurde noch ein dezenter Schlag der großen Trommel hinter den letzten Akkord gesetzt.


Vor 20 Jahren - 1994

Vor 20 Jahren - 1994 POLKAS IM SWING-SOUND - Unter dem fast einen halben Meter hohen Stapel LPs böhmischer Blasmusik aus der damaligen CSSR, die ich nach der Wende in 1990 für eigene Zwecke "importierte", hatte ich schnell eine besondere LP ins Herz geschlossen: Polkas in einem gelungenen Happy Sound von VACLAV HYBS. Ernst Mosch war schon in der 70er Jahren, als Vacláv Hybs seine Aufnahmen machte, für eine solche eigene Aufnahme inspiriert worden. 1994 war es dann so weit. Zumal ich ansonsten kein Freund solcher Experimente bin, halte ich die Hybs/Mosch'schen Happy-Einspielungen böhmischer Klassiker für geglückt - zumal Ernst Mosch auf die von Hybs verwendeten Sonderinstrumente E-Gitarre und Syntheziser verzichtete. Auch das HYBS'sche Paradestück, U NASIC KASAREN von Karel Vacek, spielte Ernst Mosch 1994 als Starttitel WENN EIN TAG NEU BEGINNT, ein. Die so wunderbare Stimme von JOSEF ZIMA bei Hybs fehlt naturgemäß bei der Mosch-Einspielung. Neben weiteren von Hybs geschickt arrangierten böhmischen Klassikern wie DAS IST MUSIK! (Hej panimamo) oder GOLDENE TROMPETEN (Az budou trumpety) produzierte Mosch auch eigene Klassiker im Swing/Happy/Hybs-Sound, wie WENN DIE ERSTEN BLUMEN BLÜHN, ICH BIN VERLIEBT (Einmal mit dir), SCHWARZE AUGEN (Cernovky), DER BUNTSPECHT (Da smidar), WASTL-POLKA - und neu auch erstmals die DAVELSKA, und das Trio der erstmals auf diesem Album veröffentlichten Polka der Spitzenklasse DIE HEXE von Antonin Ulrich.


Vor 30 Jahren - 1984

VOR 30 JAHREN - 1984, mitten in den für die Blasmusik durchwachsenen frühen 80er Jahren, war die Arbeit von Ernst Mosch auf den Bau seines Verlagshauses in Germaringen konzentriert. Logischerweise fanden damals auch keine Live-Konzerte statt, jedoch einige Fernsehtermine. Das Album von 1984, MEIN SCHÖNES HEIMATLAND, trägt in gewisser Weise die Handschrift von Rolf Schneebiegl, durch die konzertanten Solostücke in einer Art, für die Schneebiegl mit seinen Schwarzwaldmusikanten renommiert war. Kein Zufall - immerhin waren etwa die Hälfte der Teilnehmer im Tonstudio Musiker des SWF-Tanzorchesters, die lange Wegbegleiter Schneebiegls waren. --- Als Freund echt böhmischer Polkas ist für mich die KLEINE MILENKA das Paradestück des Albums, und natürlich Ernst Moschs frühe Komposition für einen anspruchsvollen Posaunensatz PFEFFERNÜSSE. Die jeweiligen Solisten waren auf dem Album nicht angegeben, erst bei späteren Auskopplungen erfuhr man etwas über die Virtuosen: ROMANZE FÜR TENORHORN - Torolf Molgaard, TROMPETEN-BALLADE- Hans Wolf, PFEFFERNÜSSE - Otto Bredl und Bart van Lier. Überraschend war, dass Norman Sanders -jetzt gar nicht mehr als Gesangssolist auftauchte. Zwei Märsche wurden mit Chor eingesungen - klanglich bezüglich des hohl klingenden Chors nicht sehr euphonisch, das Frequenzspektrum ist da zu sehr auf ca. 600kHz eingeengt. Der Koliner Marsch von Kmoch mit seiner wunderbaren Kantilene im Trio wurde zum gelungenen Gesangstitel MEIN SCHÖNES HEIMATLAND, und der Burscheid-Marsch von Josef Ginzl zu JA WIR SIND DOCH FREUNDE FÜR DAS GANZE LEBEN. Vejvodas Walzer EWIGE JUGEND mit dem innigen Trio wurde mit GERNE DENK ICH AN DIE SCHÖNEN JAHRE getextet. Beim Walzer BIM-BAM, BIM-BAM nähert sich der Text von Franto Linharek und Henry "Pytelka" van den Berghe nahe an das Schmalzliche an, ebenso bei der von Franz Bummerl bearbeiteten Volksweise SO SCHÖN KANN NUR EIN MÄRCHEN SEIN (Michael Klostermann spielte glücklicherweise diese schöne Walzermelodie 11 Jahre später auch instrumental ein), pfiffig ist dagegen die Blaha-Polka "Dockolecka dockola" nun als FAHR MIT MIR ANS BLAUE MEHR. Der Premium Track des Albums ist und bleibt jedoch für Kenner echt böhmischer Polkas die KLEINE MILENKA!


Vor 40 Jahren - 1974

VOR 40 JAHREN - 1974 war ein weiteres schaffensreiches Jahr in der Karriere von Ernst Mosch. Die Goldenen Siebziger Jahre waren in vollem Gange, ihr Wohlstand und auch die weiter steil nach oben zeigende Karrierekurve des erfolgreichsten Blasorchesters der Welt ermöglichten gleich mehrere Neuproduktionen. Eine der beliebstesten 1974 waren die BÖHMISCHE SPEZIALITÄTEN - nach mehreren Produktionen, die vorwiegend von Eigenkompositionen Zittner-Zwinger geprägt waren, nun ein reines Album mit böhmischen Autoren - große Erfolge wurden neben dem Starttiel ANDULKA-MARSCH die GARTEN-POLKA von Borovicka und Vejvodas Walzer BEI KERZENLICHT, bei der Aufnahme noch ohne die Extrovertiertheit von Fortissimo-Trompetensignalen in der Trio-Reprise, die in den Live-Konzerten so beeindruckte. Nicht zu vergessen auch solche schönen Walzer wie ALS ICH EIN KLEINER JUNGE WAR und TANZ DIESEN WALZER ZUM ABSCHIED, die beiden bekanntesten Kmoch-Märsche, ANDULKA- und MUSIK, MUSIK. Ernst Mosch war kein ausgesprochener Sportsmann - und schrieb doch den durch die damaligen TRIMM DICH-Welle inspirierten Text zur gleichnamigen Polka von FRANTISEK POUPE. Gerade bei jagdhornartigen Passagen beim Walzer IM WIESENTAL wird jetzt ganz klar, dass auch zwei Waldhörner im Tonstudio mitwirkten. ---- WIE BÖHMEN NOCH BEI ÖSTRREICH WAR wurde als Gemeinschaftsproduktion von Ernst Mosch und Prof. Julius Herrmann vermarktet. In der Tat waren jedoch nur wenige HOCH-UND DEUTSCHMEISTER bei der Aufnahme dabei, namentlich am Konzertbecken Herr Kurz. Interessant der Vergleich der Arrangements beim Lead Track und dem 99ER REGIMENTSMARSCH nun von Frank Pleyer mit den drei Jahre zuvor produzierten Weinkopf-Arrangements. Das künstlerische Herz des Albums sind nicht die hervorragend, teils schon 1971 eingespielten k.uk.-Märsche und die beiden neu eingespielten Konzertwalzer von Ziehrer, sondern wunderschöne Konzert-Titel von Frank Pleyer: GUTE NACHBARN, VETERANEN, der First-Class-Walzer DER WEG ZURÜCK, SCHÖNE JUGENDZEIT, GRASLITZER MUSIKANTEN (erst 1982 veröffentlicht) und ALTE FREUNDE (=nicht der später bekannt gewordene Gesangstitel von Slava Tkacuk). Das Trio der zuletztgenannten Polka ist freilich eine gewisse Allusion an die ein Jahr zuvor eingespielte erfolgreiche Polka MUSIKANTENGRUß von Franz Bummerl. --- 1974 wurde auch das Erfolgsalbum EWIG JUNGE BLASMUSIK eingespielt, das freilich erst 1975 veröffentlicht wurde. Mit WIESENBLUMEN, SAG NICHT ADIEU, LIEBLINGSPOLKA, SCHÖNE PRAGERIN und vor allem SO EIN SCHÖNER TAG legten Mosch und seine Mitarbeiter Grundsteine für echte Egerländer Klassiker. In diesem Album halten sich Eigenkompositionen Mosch-Pleyer und die böhmischer Autoren geschickt die Waage. --- Personell brachte 1974 drei Änderungen. Paul Hermann kam am Tenorhorn dazu und Erich Wollinsky an der Posaune. Besonders war jedoch, dass ab 1974 HERMAN ENGELBERTINCK nun fest bei jedem Auftritt dabei war und 22 Jahre lange bei keinem Auftritt fehlte! Das Bild der beiden stattlichen Baritonisten Engelbertinck - Komár in der Mitte der ersten Reihe des Orchesters gehört für viele Egerländer Freunde zur Aura der großen Jahre einfach dazu.


Vor 50 Jahren - 1964

Vor 50 Jahren - 1964 war gleichzeitig bei den BEATLES und bei ERNST MOSCH das Jahr der größten Steigerung in der Erfolgstory, die entfesselt-freie Phase nach dem Karrieredurchbruch - vielleicht die beste Zeit in einer Karriere! Während die Karrierekurve der Beatles jedoch eigentlich schon nach ihrem künstlerisch besten Album SGT. PEPPERS, nach 1967, also schon wenige Jahre später nach unten ging, ging diejenige von ERNST MOSCH noch 34 Jahre weiter, und ging von Höhepunkt zu Höhepunkt (wenn frau/man von der Tourneepause 1978-1980, alterbedingt tourneefreien Jahren und einem musikalischen Durchhänger 1988-1989 absieht). - 1964 produzierte Ernst Mosch mit der LP GRÜß MIR DIE HEIMAT eine echte Stimmungs-LP: es ging ihm in späteren Jahren nie um Stimmungsmusik, doch brachte der Zeitgeist der 60er Jahre nach schaffensreichen Nachkriegsjahren regelrechten Durst nach Stimmung, bei Grillhähnchen und viel Bier. Das wehmütige Heimatsehnen der 50er wurde in eine positive Stimmung alterniert: So beginnt das Album beginnt mit dem vielleicht beliebtesten Titel von Ernst Mosch: WIR SIND KINDER VON DER EGER. Das Stimmungsalbum enthält nur drei Walzer: der Lead-Track GRÜß MIR DIE HEIMAT, mit Ferry Tagscherer I LIEG IM STRASSNGRABN, und der Ruhepunkt des Albums, EIN LIED AUS DER HEIMAT. Mit den FIDELEN 60eRN, FAULENZER und IM WÄLDCHEN wurden ausgezeichnete instrumentale Polkas eingespielt. Gerade DIE FIDELEN 60ER mit ihren Crescendi und Decrescendi und ihren zahlreichen Vorhalten sind eine ganz besondere Polka von Karel Vacek. Ganz besonders ist, dass Franz Bummerl die Oberstimme (!) im Duett mit Ernst Mosch singt, und zwar A-Teil von ZAHL MIR WAS, I ZAHL DIE AUCH WAS. Fast einzig an diesem Titel ist ferner, dass Bummerl hier einige Takte ALLEINE zuhören ist - das war außer hier nur noch 1960 bei LIEBE KLEINE SCHAFFNERIN der Fall. Mit den "Fetzern" TEPPICHKLOPFER und SO VIEL SCHWUNG endet diese dynamische Produktion - die kurioserweise nur einmal aufgelegt wurde und dadurch schon ab 1973 vergriffen war, und deren Mono-Version BLE 14 325 -P unter Sammlern besonders begehrt ist.


Elmar Wolf und die Neuen Egerländer

VOR 25 JAHREN gründete ELMAR WOLF die NEUEN EGERLÄNDER!

Elmar Wolf war ein großartiger Spezialist in der Literatur böhmischer Blasmusik. 1977 gründete er daher den Ewoton-Musikverlag und zwei Jahre später gemeinsam mit Mosch den Mosch-Musikverlag. Sie veröffentlichten erstmals die Original-Arrangements von Ernst Mosch. 1986 trennten sich leider die Wege von Wolf und Mosch.

1989 gründete Elmar Wolf sein eigenes Orchester, ELMAR WOLF UND DIE NEUEN EGERLÄNDER. Seine besondere Verdienste waren dabei u.a.
1. das Einspielien neuer böhmischer Titel, wobei insbesondere die ersten beiden Alben und 1994 das Album DIE HEIMAT IM HERZEN durch besonders hohe Klangqualität beeindrucken (damals ein Aufatmen für alle, die sich mit dem "neuen" Sound der Alben von Ernst Mosch ab 1989 nicht anfreunden konnten), und,
2. dass Elmar viele namhafte Musiker - bekannte "Egerländer" Gesichter goldener Tourneejahre - , nach und nach gewinnen konnte, namentlich: Franto Linharek, Herrmann Dürr, Rudolf Lutze, Lubomir Rezanina, Fritz Ahles, Sigi Dreer, Peter Wosnitzka, Karl Kraft, Erwin Wolf, Lothar Zirkelbach, Albert Sontheim, Walter Huber, Erich Wollinsky, Uli Salzer, und am Schlagzeug sein Sohn Bernd Wolf.

Bernd übernahm 1997 den Ewoton Musikverlag und gründete in 2000 sein eigenes Orchester.
Elmar veröffentlichte 1999 eine herrliche Bildbiographie über Ernst Mosch und sein Orchester in seinem Verlag.

Ich erinnere mich gerne an die stets kooperative, offene und sympathische Art von Elmar. Die 2006 veröffentlichten gemütvollen Walzer PROMENADEN-WALZER und SCHÖN WAR ES IM BÖHMERWALD waren wie eine innige Erinnerung an einen Menschen, der sich um die böhmische Musik des 20. Jahrhunderts und deren Literatur sehr verdient gemacht hat.

Elmar spielte wunderbare Titel aus eigener Feder und von namhaften böhmischen Komponisten ein - kulminierend 1994 in der Skabrada-Polka PROMENADEN -, unvergessen sind uns ganz besonders:

Lustige Kutschfahrt, Marschpolka (1989) (Schlagzeugsolo Bernd Wolf)
Egerland, ich grüße dich, Polka mit Gesang (1990)

Ein Haus am Wiesenrain, Walzer mit Gesang (1990)
Die Blasmusik, die gibt uns Schwung, Polka mit Gesang (1991)
Musikantenfreude, Konzertpolka (1991)
Verlorenes Glück, Walzer mit Gesang (1993)
Du böhmischer Musikant, Polka mit Gesang (1993)
Musikantengold, Konzertmarsch (1993)
Musikanten sind da, Polka (1994)
Promenadenpolka, Bravour-Polka (1994)
Ein Strauß roter Rosen, Walzer mit Gesang (1994)
Für die Freunde der Volksmusik, Polka mit Gesang(1994/5)
Musikantenblut, Bravour-Polka (1999)
Jankuschka, Polka (1999)
Schön war es im Böhmerwald, Walzer mit Gesang (1999)
Promenadenwalzer (Walzer der Nachhaltigkeit) (1999)


Herman Engelbertinck

HERMAN ENGELBERTINCK war rund 25 Jahre Mitglied bei ERNST MOSCH und seine Original Egerländer Musikanten und trat vor 40 Jahren, 1974, erstmals live mit auf. Zuvor hatte Herman schon bei mehrere Tonstudioaufnahmen bei Ernst Mosch mit eingespielt. Von 1974 bis 1996 war HERMAN ENGELBERTINCK bei jedem - aber wirklich ausnahmslos - jedem Konzert-Termin und Fernsehtermin dabei - das ist innerhalb der Original Egerländer Musikanten ein Rekord! Gratulation für diese musikalische und auch selbstorganisatorische Leistung! Rund 25 Jahre bei Ernst Mosch - das erforderte nicht nur höchste Virtuosität, sondern auch stets höchste Konzentration und Resilience in der Zusammenarbeit mit dem Maestro. Noch einmal Gratulation und meinen höchsten Respekt für diese großartige Leistung!


Franz Bummerl

Innere Ruhe und Ausgeglichenheit strahlte FRANZ BUMMERL aus, wie sein entspannter Blick auf diesem Foto von 1989 aussagt. Vielleicht waren diese Eigenschaften Voraussetzung für die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit dem temperamentvollen Maestro Ernst Mosch. Seine Bedeutung als Komponist ist nicht zu unterschätzen: 1963-1987 waren auf jedem Egerländer Album genau eine Kompositition des langjährigen Konzertmeisters. Einige davon wurden Egerländer Klassiker, wie der schwungvolle HERZENSBRECHER (1966), DER LIEBLINGSTROMMLER (1970/71), der gefühlvolle Walzer TRÄNEN DER LIEBE (1972) und die Polkas MUSIKANTENGRUß (1973) und BÖHMISCHES HERZ (1975/76). Daneben möchte ich einige vergessene, aber besondere Kompositionen von FRANZ BUMMERL erwähnen: DIE HEIMAT IM HERZEN (1961), VERLIEBT, VERLOBT, VORBEI (1963) (dazu gibt es einen leider nie veröffentlichten Text), die schwungvolle Marschpolka SEI DOCH NICHT SO BRAV! (1969), der HECKENROSEN-WALZER (1974/75), IM TAL DER EGER (1977), JOSEFI (1978), IM ROSENGARTEN (1980) und 1986 die FESTWIRT-POLKA zum 30jährigen Jubiläum von ERNST MOSCH und seine Original Egerländer Musikanten. Ab 1981 konzentrierte Bummerl sich auf die Aufarbeitung Egerländer Volksweisen, darunter sind am bekanntesten die EGERLÄNDER SCHMANKERL (1981) u.Verw. der Volksweise MOIDERL LEG' DI' NIEDA, 1982/83 die EGERLÄNDER TRACHTENPOLKA und 1987 die DREI EGERLÄNDER FREUNDE. Seit 1968 trug Franz Bummerl bei Auftritten und zu Foto-Aufnahmen übrigens ein Toupet.


Festwirt-Polka

Die FESTWIRT-POLKA wurde 1985/86 von FRANZ BUMMERL zum 30jährigen Jubiläum von Ernst Mosch und seine Original Egerländer Musikanten geschrieben - und blieb doch ein vergessener Titel in der großen Reihe der Egerländer Titel. Nachdem Franz Bummerl die Jahre zuvor hauptsächlich Egerländer Volksweisen aufgearbeitet hatte, ist die FESTWIRT-POLKA nun wieder ein selbständiges Werk des Egerländer Konzertmeisters. Sie enthält sowhl im A-Teil als auch im Trio die vielleicht schönsten - weil innigsten und nachdenklichsten - Subdominantparallelen der Welt! (Hubert Wolf nutzte die Besonderheit dieser Harmoniefolge übrigens auch öfters aus, was zu einem besonderen Marken/Gütesiegel seiner Titel wurde). Die Wendungen von B-Dur nach c-moll im A-Teil bzw. Es-Dur nach f-moll im Trio der FESTWIRT-POLKA schaffen u.a. die besondere Klasse dieser echt böhmischen Polka. Stellt man sich vor, Bummerl hätte jewiels die normale Dominante oder gar Subdominante anstelle der introvertierteren und farbigeren Subdominantparallele in herbstlichem moll geschrieben, würde der Titel einen Großteil seiner Ausdruckskraft verlieren. - Ein weiteres Merkmal der FESTWIRT-POLKA ist ihre Anlage im A-Teil als Paraphrase der LUDMILLA-POLKA von Ladislav Kubes. Ernst Mosch hatte die Ludmilla-Polka 1976 zur 20-Jahre-Tournee mit im Programm, jedoch nie auf einem Tonträger produziert. Das moll-Zwischenspiel und den folgenden Eingangsruf übernahm Bummerl fast unverändert. Das FESTWIRT-Trio und sein Zwischenspiel mit den Flötentrillern sind dann rein von Franz Bummerl. Besonders wirkt auch die Generalpause von dem Trio, welche den kontemplativen Charakter dieser Polka ebenfalls herausstellt. Das - fast resigniert wirkende - Verharren mehrere Takte auf der Subdominantparallele im Trio, gefällt mir ganz besonders (siehe in folgendem Youtube 1:44-1:50 und 2:45-2:51), unterlegt mit Orgelpunkten von Tenorhorn/Bariton, welche die Harmoniebasis stellen. Es wirkt so ganz herrlich weiträumig unter einem "bewölkten Himmel in moll". Ein mehrtaktiges Verweilen auf der Subdominantparallele ist eher selten bei böhmischen Stücken, ein weiteres Beispiel sind Hubert Wolfs WILDE ROSEN AUS BÖHMEN, mehrfaches Anstreben der Subdominantparallele gibt es auch bei FRANZ WATZ (Trio JUBILÄUMSFEST, Trio LIEDER SIND BRÜCKEN).. - Seit 1986 gehört die FESTWIRT-POLKA stets zu meinen 25 Mosch-Favoriten. -


Ernst Mosch vor 35 Jahren - 1979

ERNST MOSCH VOR 35 Jahren - Vielleicht war 1979 das unauffälligste Jahr in der Chronik von ERNST MOSCH und seine Original Egerländer Musikanten. Die Tourneepause 1978-1980 war nach vielen anstrengenden Jahren notwendig und ermöglichte Ernst Mosch, zusammen mit Elmar Wolf sich auf den Aufbau der Musikverlage zu konzentrieren. Erfreulicherweise ging die Schaffenskraft des Meisters bezüglich neuer Produktionen - auch dank großer Unterstützung durch Frank Pleyer - ungebremst weiter, und so entstanden 1979 zwei ausgezeichnete Alben. Das frische Frühlings-Design des Albums EGERLÄNDER SPATZEN gefiel mir schon immer, ebenso sein Mix tschechischer Autoren und tollen Titeln von Frank Pleyer - diese angeführt durch das Walzer-Rondo HERZENSWUNSCH und den REDOUTEN-MARSCH (in beiden sind die Hölzer mit ganz besonderem Klang!), die Marschpolka GRASHÜPFER, den frischen GOSSENGRÜNER HANG, sowie die musikalisch und textlich intakte Atmosphäre schaffenden Walzer WUNDERBAR SCHÖNE WELT und UNSRE KLEINE WELT. Beim Lead-Track EGERLÄNDER SPÄTZEN gibt es erstmals ein Pfeifsolo von Ernst Mosch. In der kraftvollen Polka DU BIST DIE FRAU DIE ICH ERSEHN, ist die besondere Klasse von Antonin Votava am Konzertbecken zu hören. Ernst Mosch produzierte 1973-1978 keinen neuen Titel von Karel Vacek! Die diatonische Polka DU HAST GRÜBCHEN setzt dieser (wohl zufälligen) Entwicklung ein Ende. Der Walzer DAS IST (DIE) LIEBE von Eman Schuster erinnert angenehm an seine knapp 10 Jahre zuvor produzierte ERINNERUNG AN KARLSBAD. Eine echte Vejvoda-Polka ist BUBU (DU MACHST JA SACHEN...), dessen Triomotiv zuvor schon durch NUR KEINE TRÄNEN BEIM ABSCHIEDNEHMEN bekannt war. Und last but not least der grandiose Start in die Produktion mit einer ausdrucksvollen Polka der Extraklasse von Arnost Mosna: SO SCHÖN KANN NUR DIE ERSTE LIEBE SEIN - TAG FÜR TAG SONNENSCHEIN - GLEICH WIE DIE UNGARROSE, DIE ERBLÜHT - UND WIE EIN STERN DER NIE VERGLÜHT - UNVERGESSEN BLEIBT EIN LEBEN LANG, SCHLUG DAS HERZ AUCH OFT SO BANG - WIE SCHÖN, WIE HERRLICH UND WIE WUNDERBAR - DOCH DIE ERSTE LIEBE WAR! Welch herrlicher Text von Gerald Weinkopf! Wie ergreifend die empatisch steigende Quart zwei mal bei dem Wort SCHÖN! -------------- WIR ZIEHN DURCH DIE WELT war das 6. Album der Original Straßenmusikanten und mein persönlicher Favorit unter diesen. Es klingt nicht so kammermusikalisch oder trocken wie die Straßenmusikanten-Alben 2,3,7 und 8, und wirkt mit dem Schlagbecken etwas flüssiger, die Bläser schön mit Hall eingespielt, das Saxophon dominiert nicht so sehr, das Akkordeon klingt nicht metallisch. Und dann besonders schöne Titel! DER WILDE WEIN BEI MIR ZUHAUS ist einer der schönsten Texte, den Fini Huber-Busch für Ernst Mosch schrieb. Manfred Hoffbauer schrieb mit DER HOBBYKOCH eine besondere Polka. Im Marsch DU SCHÖNE WELT nutzte Franz Bummerl Allusionen an zwei bekannte Märsche: Im A-Teil DAS LIEBEN BRINGT GROß FREUD und im Trio dasjenige von ALTE KAMERADEN. Frank Pleyer und Ernst Mosch schrieben mit HÖRST DU DEN GLOCKENKLANG einen im A-Teil alpenländisch klingenden Walzer. Die von Ernst Mosch früher gelegentlich als Zugabe live gespielte markante HAMPL-POLKA ist als GRUß AUS DER FERNE betitelt. Frank Pleyer beweist seine große Klasse als Komponist in Zusammenarbeit mit Ernst Mosch ganz besonders im Walzer HERZDAME und der Polka SCHNUCKI PUTZI mit seinen kadenzierenden Sequenzen im Trio bzw. Epilog. Und auch in dem so euphonischen Trio-Zwischenspiel von ICH GLAUB ICH BIN EIN SONNTAGSKIND. - Schade, dass kaum einer der 1979 produzierten Titel von Ernst Mosch je live gespielt wurde (1976/77 DU HAST GRÜBCHEN). Diese unvergessenen Stücke, die uns seit 35 Jahren begleiten, hätten es verdient gehabt.-


Ernst Mosch vor 45 Jahren - 1969

ERNST MOSCH vor 45 Jahren - Sein Sound Ende der 60er Jahre gefiel mir immer besonders gut: Mit butterweichem Zusammenspiel oder Dialog der Flügelhörner und der Tenorhörner, einem besonders swingenden Beckenschlag von Ferry Tagscherer einem besonders lyrischen Holz (HERZELEID) und Walter Scholz mit hohen Sexte an der Trompete (DER STROHWITWER, BLUMENMÄDCHEN). Vielleicht klingt das Flügelhorn an manchen Stellen, bedingt durch den individuellen Ansatz von Lubomir in dieser Zeit, etwas quäkend. Schon ein Jahr später, beginnend mit dem Album STUNDEN DIE MAN NIE VERGISST, klingt es plötzlich ganz anders, weniger kräftig, weniger dynamisch, gedämpfter.- Gleich vier Alben spielte Ernst Mosch 1968/69 ein: BLASMUSIK KLINGT SO!, SPEZIELL FÜR SIE, FRÖHLICHE WEIHNACHTEN und SO SIND WIR! Wunderbare Klassiker sind entstanden, WENN DER TAG ERWACHT, MUSIKANTENSTOLZ, MEIN HERZ SCHLÄGT NUR FÜR DICH!, BLUMENMÄDCHEN (mit dem markanten "Löwenbrüllen" der Posaunen im Zwischenspiel), BLASMUSIK KLINGT SO!, KANNST DU KNÖDEL KOCHEN, DER STROHWITWER und LIEBE FÜRS GANZE LEBEN. Eine Paradestück der Aufnahmen 1969 ist die für mich schönste Polka von Ernst Mosch und Gerald Weinkopf, WUNDERBAR BIST DU! mit ihrem swingend-verhaltenen, fast Andante-Tempo und den Signalen einer Bachtrompete in der Trioreprise. Zur Erinnerung an Georg Ernszt wurde die deftige SCHORSCHI-POLKA eingespielt - wie alle Kompositionen Ernszts rein diatonisch, aber mit prägnantem Rhythmus. In der Trioreprise von ICH BIN VERLIEBT IN DICH erklingen erstmals in der Trompete die in den Folgejahren so typischen auf je ganze Takte verlängerten Dreiklangsbrechungen (s. auch Trioreprise ROSEN SIND WIE DU). Im Album SO SIND WIR! beweist Ernst Mosch seine damals völlig einmalige Klasse, wie modern-tänzerisch Blasmusik klingen kann und wie geschickt Gerald Weinkopf auch ohne Millersatz moderne Arrangements für eine Standard-Bläserbesetzung arrangierte. Ganz geschickt übernehmen die Posaunen gelegentlich die Melodieführung., das Holz ist tänzerisch (DONKEY-SERENADE, AM ABEND AUF DER HEIDE, DAS BLONDE KÄTCHEN, BUMMERL-PETRUS) oder lyrisch (ES GEHT ALLES VORÜBER), Tenorhorn/Bariton mit perfektem Ansatz (z.B. SO SIND WIR!). Gerade der Lead-Track, der BUMMERL-PETRUS, DAMENWAHL und der PUSZTA-FOX sind auf diesem Album durch und durch grandios. Bei der Trioreprise von DAMENWAHL gehts in Flügelhörnern und Trompeten richtig hoch hinauf.--- 1969 kamen auch wichtige Neuzugänge ins Orchester, wie Rudi Lutze, Gert Mann, Walter Huber, Sepp Pemmerl und Joschi Lauter. Die nach meinen Forschungen vermutliche Tonstudiobesetzung war noch durch die Mitglieder der mittleren 60er Jahre gestellt: Weinkopf - Auer oder Hoffbauer?/Dürr/Dautel - Bummerl, Rezanina, Glowotz/Ahles, Uitz oder Hensel? - Scholz - Kraft, Bönig/Komár, Hess - Er.Wolf/ Tuschla/ Grosz oder Zettler? - Hering sen./Nest oder Pemmerl?- Tagscherer.


Josef Hotovy

POLKU JOSEFA HOTOVEVA - sind auf deutsch tatsächlich "Polkas von JOSEF HOTOVY" (1904-1975).
Dieser war schon immer einer meiner Favoriten unter den klassischen böhmischen Autoren, deren Schöpfungszenit in den 30er Jahren war. Jaromir Vejvoda war genauso wie Josef Hotovy ein tschechischer Komponist, lediglich anders im Ergebnis und, das ist meine Vermutung, auch anders im Kompositionsansatz. Da spielen die eigene Vita, das soziale Umfeld, das gewollte Ziel etc. eine große Rolle.
Böhmisch bedeutet nicht unbedingt "fröhlich": Gerade die herbstlich-nachdenkliche Faktur des BUNTSPECHTS hat mich so unheimlich beeindruckt, als ich diesen Titel zum ersten mal hörte. Dabei ist DER BUNTSPECHT nüchtern betrachtet eher ein unauffälliges Stück: die Passagen mit Es-Klarinette und das specht-artige 16tel-Staccato in der A-Teil-Reprise sind immerhin auffälliger als die Ruhe des Trios bzw. das "Aufgehen wie a Dampfnuadl" durch das Tutti in der Trio-Reprise. Eine leicht herbe, große, dezente Schönheit. "Einer der markantesten Titel der frühen Jahre", wie Ellen Mosch einmal völlig richtig im Verlagskatalog zu den Noten des 1966 erstmals eingespielten Stückes schrieb. Im Original DA SMIDAR ist das zuvor genannte Trio übrigens der Schlußteil/Epilogteil, das eigentliche Trio wurde durch Ernst Mosch nicht eingespielt, es wäre auch keine Bereicherung, es nimmt nur die fallenden Fünftonskalen der Schlußgruppe vorweg. Gerry Weinkopf wußte schon, warum er den Epilog zum Trio aufwertete. Kompliment!

DER BUNTSPECHT ist der Herbst, ANNA ist mit seinem frischen Trio und seinem wie ein Durchbruch wirkenden, herrlichen B-Teil sein Frühlings-Pendant - wurde zu DEM Schlager der Tournee 1998. Die Trii beider Polkas sind im Beginn vor allem durch eine markante steigenden Sexte charakterisiert. "I konns net vostöin, warum d'Leit d'Anna so mogn", sagte mir Ernst Mosch in 1997 in einer Audienz, doch spielte er glücklicherweise im Herbst 1997 ANNA das erste mal seit 1965 neu ein und nahm sie ins Programm der Abschiedstournee auf. "Unsere Polkas [...] gehen halt richtig ins Herz" wie er seinen Erfolg einmal formulierte. Mir ging 1998 auch wirklich wie in einem Jugendtraum das Herz auf, als ich ANNA das erste mal live hörte!

Eine besondere Polka ist auch MEIN NEUES ZUHAUSE aus 1985, mit einem besonderen Duo mit FERENC ASZODI, Flügelhorn und ONDREJ BABINEC, Horn. Eine einmalige Kombination in einer zarten Polka-Melodie des großen Josef HOTOVY. Sein A-Teil beginnt übrigens auch mit einem markanten Sextaufstieg.

Auch BUBENSTREICHE von 1980 ist eine Polka, die mir sofort gefiel. wie bei ANNA wirkt auch hier der B-Teil wie ein Durchbruch, doch ist der A-Teil tänzerischer als bei ANNA. Noch mehr als Durchbruch wirkt bei den BUBENSTREICHEN die bei Ernst Mosch zu Recht eingespielte Trio-Reprise (mit kräftigem Becken-Rhythmus von Antonin Votava!). Im Original endet der Titel mit einer Wiederholung des eher Spannung aufbauenden denn als Lösung/Durchbruch wirkenden D-Teils - da fehlt dann etwas. Das erkannten Mosch und Arrangeur Bummerl völlig richtig!

Ein Titel mit dem Komponisten HOTOVY (oder SKABRADA) war für mich früher immer ein gutes Argument, eine LP von Ernst Mosch zu kaufen (ähnlich positiv anregend wirken HEUTE auf mich die Komponistennamen GREINER, HENN und KUHN).

Die CERNOVKA, SCHWARZE AUGEN beeindruckt als Polka mit dem typischen Hotovy-Ausdruck aus 1962. Der Gesangstitel LEBEN HEISST LIEBEN ist die Nr. 1 im Mosch-Musikverlag.

Ein weiteres typisches Hotovy-Element ist die fallende Fünfton-Viertel-folge in der Dominante, Musterbeispiel in der doppelten Schlußgruppe des BUNTSPECHTS. Als ich 1981 die neu eingespielte NETTE BEKANNTSCHAFT erstmals hörte, mit derselben Folge ab dem 20. Takt im Trio, sagte ich tatsächlich vor mich hin: Hotovy ist Hotovy! Musikalische Eindrücke, die man nie vergißt! ("...voller Schwung, gibts dann und wann..")

Die drei von Ernst Mosch eingespielten Hotovy-Walzer, DAS IST UNSER WALZER, ROSEN IM WIND und MEIN ERSTER FREUNDE, haben all etwas Konzertantes an sich. DAS IST UNSER WALZER wirkt sogar intellektuell. Das empathische Crescendo im 2. Teil der ROSEN IM WIND, also der Teil vor dem Trio, ist wirkt wie das pralle Aufblühen einer Rose!

JOSEF HOTOVY war also auch kein Komponist fürs "Allgemeingut", sondern konzentrierte sich auch mehr auf wenige hochwertig-böhmische Stücke, nicht so polyphon, harmonisch komplex oder virtuos wie Skabrada, sondern mit dezentem, wenn auch markanten böhmischen Ausdruck. Außer den rund ein Dutzend Mosch-Einspielungen beeindrucken Hotovys Polka LASKA MAIOVA mit ihrem herrlichen Trio (wieder mit markantem Sextbeginn), und die bekannte SCHWIEGERMUTTER-POLKA (Robert Payer SORGENBRECHER).


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